Salz und Asche - Roman
verbrachte Susanne damit, unter Frau Uhrmeisters Anleitung zwei ABC-Büchlein für die Nichten und Neffen des Herzogs Christian Ludwig zu gestalten. Sie schrieb Verse auf und zeichnete Entwürfe für Bilder, die später von den Schriftsetzern und Formschneidern auf Druckstöcke übertragen wurden. Auch geistliche Inhalte
nahm sie auf. Ganz fehlen durften fromme Worte in einem Lehrbuch nicht.
Sechs Exemplare jedes gedruckten Abecedariums wurden anschließend farbig ausgemalt. War der Herzog mit ihnen zufrieden, konnten leicht einfachere Exemplare nachgedruckt und mit Hinweis auf dessen Empfehlung an weniger wohlhabende Kunden verkauft werden.
Susanne arbeitete mit solcher Begeisterung an ihrem Werk, dass sie von der Mittagsglocke jedes Mal überrascht wurde. Dann musste sie sich beeilen, um Liebhild und Jost bei Lossius abzuholen und mit ihnen zur Böttcherei zu laufen, wo das Essen auf sie wartete. Im Anschluss kehrte sie mit den Kindern zurück. Die beiden gingen widerwillig, sie selbst freudig.
Frau Uhrmeister war mit dem Ergebnis zufrieden. »Du verstehst etwas von Kindern, das sieht man. Nun warten wir mal ab, was der Herzog davon hält. Mag sein, dass ihm die Büchlein nicht fromm genug sind.«
Vorerst hörten sie nichts von ihrem adligen Kunden. Susanne bekam neue Aufgaben und sog gierig auf, was es zu lernen gab. Sie eignete sich den Umgang mit den unterschiedlichen Pinseln, Farben und Papiersorten an und studierte immer wieder das große Musterbuch, das als Lehrbuch für Anfänger der Bildmalerei diente. Sie lauschte auf alle Erklärungen, die der Lehrling über die Herkunft und Herstellung der Farben und die Theorien der Farbharmonie und Symbolik erhielt. Sie lernte die Mineralien- und Metallpulver, Pflanzen- und Tierextrakte zu unterscheiden, die Engelbrecht in seinen Mörsern vermischte. Dornen von Weißdornbüschen, Gallapfel, giftige Mennige, Safran, Kermeslaus, Lapislazuli und Lauch nahmen eine neue Bedeutung für sie an.
Man war in der Werkstatt unterschiedlicher Ansicht über die Zukunft der Bildmalerei. Frau Uhrmeister und einige der Männer meinten, die Kunst würde bald aussterben, weil die Leute mit gut gedruckten schwarz-auf-weißen Bildern in billigen Büchern zufrieden wären. Meister Engelbrecht dagegen war fest der Meinung, dass die Menschen sich immer nach farbigen Bildern sehnen würden. Susanne gab ihm innerlich recht, maßte sich jedoch nicht an, etwas dazu zu sagen.
Obwohl Frau Uhrmeister nie sonderlich freundlich zu ihr war, schien sie doch eine gewisse Genugtuung über die schnellen Fortschritte ihres inoffiziellen Lehrmädchens zu empfinden. Und als es dem Herzog nach zwei Monaten schließlich gefiel, einen fürstlichen Preis von zwanzig Talern für die reizenden ABC-Bücher zu zahlen, gab sie Susanne nicht nur einen Taler, sondern die Erlaubnis, auch das Vergolden zu lernen.
Außerdem betrat zum ersten Mal Herr Lampe selbst die Werkstatt und warf einen Blick auf sie. Zwei Tage später bekam sie den Auftrag, ein Gebetsbüchlein für Mädchen zu entwerfen und darüber nachzudenken, ob sie auch zu einem Küchenratgeber beitragen könne. Beides empfand sie als Herausforderung. Auch die freien Stunden am Nachmittag oder Abend verbrachte sie nun damit, Nachforschungen anzustellen und sich Merksprüche und Ratschläge zu notieren, die sie in Erfahrung brachte.
Sie spazierte nun nie mehr ziellos durch die Stadt. Dafür war sie umso häufiger in Gedanken versunken und merkte kaum, wie das Jahr voranschritt. Der Übergang von dem kalten, verregneten Sommer zum Herbst machte sich allerdings auch nur darin bemerkbar, dass die Tage kürzer wurden.
Nur wenige Male wurde sie bis zum Jahresende aus ihrem neuen Alltag gerissen. Beim ersten Mal händigte ihr Frau Lossius einen Brief aus, auf dem ihr Name als Empfängerin stand, der jedoch ans Haus Lossius gesandt worden war. Für einen kleinen, unvernünftigen Moment dachte sie an Jan, dann erkannte sie die großräumige und krakelige Handschrift ihres Bruders - und freute sich dennoch.
Liebe Suse, werte Schwester,
das Leben außerhalb der Mauern ist wild und wunderlich. Es treibt mich von einer Aventüre zur nächsten. Ich stehe in Diensten des Kurfürsten von Brandenburg und habe schon eine Schlacht gesehen. Aber gräm dich nicht, so nah lassen sie mich nicht an das Hauen und Stechen heran. Graf von Torgewalk hat dem Fürsten ein kleines Scharfschützenregiment aufgeschwatzt, zu dem ich gehöre und das reichlich geschont wird und daher
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