Salz und Asche - Roman
hörte, richtete er sich erstaunt auf. »Die Deubelsdeern. Du hast Courage, dass du mir unter die Augen kommst. Wo hast deinen Buhlen, den kleinen Dart?«
Susanne ballte die Fäuste, damit niemand sah, wie ihre Hände zitterten. »Ich will meine Schwester zurück. Und ich schwöre Euch, dass Ihr keinen glücklichen Tag in Eurem Leben mehr haben werdet, wenn Ihr etwas damit zu tun habt, dass sie verschwunden ist.«
Er sah sie so verdutzt an, dass sein Gesicht auf einmal komisch statt grausam aussah. »Was soll ich mit deiner Schwester? Haben genug Ärger gemacht, die Bälger. Damit habe ich nichts mehr zu schaffen, so wenig wie mit dem Herrn Grafen.«
»Und was ist mit Rieger?«
»Was soll mit ihm sein? Hab ihn seit damals nicht mehr gesehen. Der Herr hat uns entlassen, und Rieger hat sich davongemacht. Hat ihn verbiestert, die Stellung zu verlieren. Nicht dass ich’s ihm nicht nachfühlen könnte, auch wenn ich die paar Heller für mich und die Hunde schon
zusammenbringe. Nee, ich weiß nichts von deiner Schwester, und ich weiß nichts von Rieger.«
»Rieger? War das der kleine Dicke mit dem Stock?«, fragte Marie. »Den habe ich gerade neulich gesehen. Bei Weitem nicht mehr so fein, der Mann. Stand im Kutscherkittel am Sande und hat Löcher in die Luft gestarrt.«
Kowatz kratzte sich die Bartstoppeln, die spärlich zwischen seinen Narben wuchsen. »Ach? Na, da soll mich doch …«
Während er selbst für einen Moment in die Luft starrte, tauchte seine zweite Dogge aus der Schenke auf und hob kurz drohend die Lefzen, um sich dann neben ihn zu setzen. »Ein gerissener Luchs ist er, und er hatte eine Wut. Er wird Ranzion für sie wollen, falls er sie hat. Aber von einem, der reicher ist als du und dein Vater, Deern. Frag also am besten den Herrn von Waldfels, ob er schon einen Brief bekommen hat, der ihm deine Schwester zum Kauf anbietet.«
Susanne fühlte, wie nun auch ihre Knie zu zittern begannen. »Wird er ihr etwas antun?«
Kowatz schnaubte. »Der Herr hat mich eingestellt, weil ich ein reuiger Sünder bin. Rieger hat mir gesagt, ich solle das Reuige für den Herrn aufheben, er bräuchte einen Ruchlosen, der ihm zur Hand geht. Der Herr sollte nur das hübsche Gesicht von seinem Wunderwerk sehen und nicht den hässlichen Hintern. Ja, Rieger schneidet einem die Finger ab, wenn es in seinen Plan passt.«
Kathi trat vor. »Wenn du ein reuiger Sünder bist, dann hilfst du jetzt, Susannes Schwester zurückzuholen, damit der Herrgott dir vergibt.«
Wieder machte Kowatz sein verdutztes Gesicht, und die Dogge schüttelte sich. »Wie stellst du dir das vor, Weib? Ich weiß nicht, wo das Aas sich mit dem Kind verkrochen hat.«
»Ihr kennt ihn doch. Überlegt, was Ihr tun würdet, wenn Ihr an seiner Stelle wäret, und sagt es mir«, bat Susanne.
»Ich würde mir einen suchen, der ein Boot hat und mit mir halbe-halbe machen will. So schnell wie möglich aus der Stadt, dann mit dem Boot die Elbe hinauf bis in die Nähe vom Landsitz des Herrn. Und da in einen Unterschlupf. Gibt mehr als einen Ort, der dazu taugte.«
»Ich könnte Euch bezahlen, wenn Ihr mich begleitet. Und ich nehme an, auch Herr von Waldfels würde sich nicht lumpen lassen, wenn Ihr Euch in dieser Sache auf die richtige Seite stellt. Helft mir, Liebhild zu finden.«
Er sah zu Boden und kraulte eine Weile schweigend seine Doggen. »Liebhild heißt sie, ja?«
»Ja.«
»An dem Kind hatte der Herr ja einen Narren gefressen. Da wird Rieger sich ausrechnen, dass er anschließend ausgesorgt hat. Oder wenn nicht, dann bringt er sie um und hat die süffigste Rache, die er sich wünschen kann.«
Susanne wurde schwindlig, sie musste nach Kathis Arm greifen. Mitgefühl schien Kowatz nicht zu empfinden, aber gerade deshalb konnte er bei der Suche nützlich sein. »Bitte«, sagte sie. »Es wird sich für Euch lohnen.«
Kowatz verzog spöttisch den Mund. »Wie viel …«
Doch dann verstummte er und blickte den beiden Männern entgegen, die in vollem Lauf auf den »Hirsch« zukamen.
»Na endlich«, rief Kathi. »Jockel, der Mann hier wird uns helfen, das Kind zu finden! Und er ist noch dazu bescheiden.«
Jockel kam neben ihr zum Stehen. »Brav so. Guter Mann!«
26
Im Exil
J an fand das Leben in Perleberg nicht schöner als in Lüneburg, obwohl ein junger Mann hier zweifellos weniger strengen Blicken ausgesetzt war. Es gab in der Stadt mehr einquartierte Soldaten als ansässige Bürger, und die Sitten waren entsprechend locker.
Den Gebäuden und
Weitere Kostenlose Bücher