Salz und Asche - Roman
Plätzen sah man an, dass schon seit langer Zeit überwiegend Soldaten hier gehaust hatten, und das nicht immer auf friedliche Weise. Nur notdürftig wurden die Lücken gefüllt, die der Krieg gerissen hatte. Manches Viertel bestand nur aus schwarzen Trümmern, über die allmählich Kraut wuchs.
Auch die neue Arbeit gefiel Jan nicht unbedingt besser. Sie schlug ihn allerdings auch noch nach Monaten völlig in ihren Bann. Kienzle und Schwalbach hatten ihn mit offenen Armen empfangen, als er nach der Fahrt auf der Elbe unangekündigt in ihre Büchsenschmiede kam. Seitdem hatte er alles darangesetzt, ihre hohe Meinung von seinen Fähigkeiten nicht zu enttäuschen. In einem guten halben Jahr hatte er mehr dazugelernt als vorher bei Schmitt in der ganzen Lehrzeit: Feinschmieden, Metallgießen und Mechanismen für Schlösser zusammenzubauen. Selbst mit der Anfertigung der hölzernen Kolben hatte er sich beschäftigt. Und nicht zuletzt mit dem Schießen, einer Fertigkeit, mit der er so mühelos Ruhm erntete, dass er ihn als unverdient
empfand. Doch Kienzle und Schwalbach liebten ihn dafür. Wie ließ sich auch ein Käufer einfacher von einer neuen Muskete überzeugen, als wenn der Geselle ihm mit größter Leichtigkeit lauter Meisterschüsse damit vorführte?
Außer ihm gab es noch zwei Gesellen, die ähnliche Begabungen hatten. Sie waren umgänglich, wohl auch, weil sie sich nichts neiden mussten. Die Geschäfte gingen bestens, und ihre Brotherren waren in jeder Hinsicht großzügig.
Besonders an den Abenden waren sie so spendabel, dass sich Jan schwertat, mitzuhalten. Im Gegensatz zu Schmitt gaben Kienzle und Schwalbach nicht viel auf einen gesitteten und frommen Lebenswandel. Im Gegenteil meinten sie, dass es dem Geschäft guttat, wenn die Büchsenmacherbande als frohsinnig, trinkfest und verwegen galt. Der Käufer versprach sich mehr von einer Büchse, die halbwegs im Einvernehmen mit dem Teufel geschmiedet worden war.
Jan musste bald einsehen, dass zumindest für ihn dieser Ruf nicht in Einklang mit einem sauberen Handwerk zu bringen war. Kaum etwas schmerzte durchdringender als der stetige Gesang eines Schmiedehammers in einem verkaterten Kopf. Es war schier unmöglich, dabei nicht zu zucken und das Werk zu verderben.
Von da an bestach er oft die gutherzige Schankmagd, ihm das Bier zu verdünnen, wenn der Abend zu lang zu werden drohte.
An eben so einem Abend, als er gerade seiner blonden Retterin nach dem dritten Krug zugezwinkert hatte, begrüßten seine Meister mit Gejohle einen Neuankömmling, der hinter seinem Rücken in die Schankstube eingetreten war. Kienzle und Schwalbach sprangen auf, um dem neuen Gast die Hand zu schütteln.
»Junker Büttner, mir lacht das Herz«, meinte Kienzle. »Dass Ihr den Weg noch gefunden habt! Wie ein wackerer Kriegsmann seht Ihr aus. Habt Ihr die Donnerrohre auf dem Schlachtfeld probiert und studiert statt hier bei uns?«
Till Büttner klopfte ihm und Schwalbach die Schulter und ließ sich dann auf einem freien Platz in der Tischrunde nieder. »So könnte man es nennen. Hab auch probiert und studiert, wie es sich ausnimmt, das Ziel für die Knallbüchsen zu sein, und muss sagen, da gilt es noch etliches zu verbessern. Das Lied, das die Kugeln pfeifen, ist abscheulich misstönend.«
Die Runde lachte, und Schwalbach schlug mit der Faust auf den Tisch. »Bier für unseren jungen Helden!«
Erst jetzt sah Till sich in der Runde um und stutzte, als er Jans Blick traf. »Niehus! Hast du dir meinen Rat zu Herzen genommen und Lüneburg Adé gesagt?«
Jan verzog das Gesicht. »Wie hätte ich einen so gut gemeinten Rat ausschlagen können? Und was ist mit dir, hast du dich auf Pulverfässer verlegt? Oder begräbt man neuerdings die Toten in Tonnen?«
Mit einem bitteren Lachen warf Till seine ledernen Stulpenhandschuhe zwischen die Bierkrüge. »Die Luft über dem Schlachtfeld ist oft so schwarz vor Aasvögeln, dass du die Toten in Tabaksdosen begraben kannst, wenn du endlich dazu kommst.«
Schwalbach neigte sich vor. »Gib mal Zeitung, wie es um das kurfürstliche Heer bestellt ist. Hast du dich anwerben lassen?«
»Ja. Und vorige Woche wieder quittiert. Ist wenig Gaudium bei der Sache, denn mit dem stehenden Heere ist es ebenso, wie es klingt: Vorwiegend steht es herum. Setzen
darf es sich nicht, vor allem nicht zwei Mal, denn auf Widersetzen hagelt es Strafen - eine schöner ausgedacht als die andere. Und da ich schon ein Mal gesessen habe, dachte ich, ich gehe lieber, bevor
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