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Salz und Asche - Roman

Salz und Asche - Roman

Titel: Salz und Asche - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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Ilmenau das Wehr hinabrauschte. Das Klappern, Knarren, Ächzen und Klopfen der Hafenmühlen mischte sich mit dem Geräusch des strömenden Wassers. Sie gingen zum Stintmarkt weiter, der direkt am Hafen lag. Hier herrschte rege Betriebsamkeit. Kähne wurden beladen, ausgerüstet oder entladen, Schiffer und ihre Handlanger gingen in den nahen Wirtschaften, Läden und Lagerhäusern ein und aus. Sie trafen Familie und Bekannte, statteten sich für die nächste Fahrt aus und verhandelten mit den Kaufleuten über Aufträge. Bauern brachten auf Kähnen ihre Ernte in die Stadt und holten sich dafür aus den Weißladereien fuhrenweise vergünstigtes Salz.
    Dies war der Ort, an dem Ulrich Büttner seine Kinder nicht gern allein herumstromern sah. Er unterstellte den unsteten Schiffern, dass sie eine andere Sicht zu Anstand und Gesetzen hatten als die ansässigen Bürger.
    Susanne fühlte sich allerdings aus einem anderen Grunde unwohl. Der runde Ladekran, der auf der anderen Seite des Hafenbeckens stand und aussah wie ein riesiges Eichenfass, weckte böse Erinnerungen. Zu seinen Füßen hatte man vor sieben Jahren ihre Schwester aus dem Wasser
gezogen. Regine war von der Hafenmauer herunter vornüber in den Fluss gestürzt, reglos, als wäre sie schon im Fall ohne Bewusstsein gewesen. Susanne hatte geschrien, als Regine unterging, und wäre ihr nachgesprungen, wenn sie nicht jemand festgehalten hätte. Schließlich bekamen einige Männer in einem Boot Regine zu fassen. Nachdem Susanne ihr oben auf der Mauer in das schneeweiße Gesicht gesehen hatte, war sie sicher gewesen, dass ihre Schwester tot war. Für drei Tage war sie völlig verstummt. Bis zu der Stunde, in der Regine zur Überraschung aller und zum Erschrecken vieler ins Leben zurückgekehrt war. Susanne war gerade zehn Jahre alt gewesen.
    Till hatte den Unfall nicht miterlebt und verband ihn weniger mit diesem Ort als sie. Susanne nahm allerdings an, dass es ihm nichts ausgemacht hätte, selbst wenn er dabei gewesen wäre. Er hatte schon als Kind unheimliche und absonderliche Dinge gemocht.
    Jetzt gerade war er sichtlich von Kathi gefesselt. Er hatte sie eingeholt und bot ihr wieder Kirschen an. »Kathi, du schreitest aus wie ein Soldat auf dem Rückzug. Haben wir es eilig?«
    Sie sah ihn spöttisch von der Seite an. »Wenn du das eilig nennst, dann musst du ein Gebrechen haben. Ich dachte, ihr wollt noch vor dem Dunkelwerden etwas in Erfahrung bringen.«
    Einen Moment lang fühlte Susanne Neid. Die beiden verstanden sich gut. Till hatte nie Mühe, die Leute zum Sprechen zu bringen. Obwohl das Unternehmen ihr Einfall gewesen war, kam sie sich überflüssig vor.
    Kathi bog zielstrebig ab, um über die große Brücke ans andere Ufer der Ilmenau zu gelangen, dahin, wo der Ladekran stand und außerdem das Kaufhaus. Das große, hallenartige
Gebäude war ein weiterer Ort der Betriebsamkeit. Hier mussten nach dem Stapelrecht alle durchreisenden Kaufleute ihre Waren für eine gewisse Zeit einlagern, damit die Lüneburger Gelegenheit bekamen, sie zu erwerben. Manchmal war es nur eine Formsache, und manchmal war es den fremden Händlern recht, ihre Waren hier abzusetzen. Immer wieder gab es jedoch auch heftige Auseinandersetzungen zwischen den Reisenden und den Aufsehern des Kaufhauses, die die jahrhundertealten Ratsbeschlüsse durchsetzen mussten.
    Susanne wurde es unbehaglich zumute, als Kathi den Nebeneingang des Kaufhauses ansteuerte. Sie hatte gehofft, mit der einen oder anderen Frau aus dem Viertel zu sprechen. Dabei wäre sie kaum aufgefallen. Ein Besuch im Kaufhaus dagegen würde womöglich Aufsehen erregen. Andererseits war sie inzwischen zu gespannt auf Kathis Ziel, um ihr Anliegen zurückzunehmen.
    Vor dem seitlichen Tor der großen Lagerhalle saßen zwei Wachleute auf Hockern, zwischen sich ein Fass als Tisch. Sie spielten Karten und hatten ihre Hellebarden an die Wand gelehnt. Eine Frau saß in ihrer Nähe und strickte, während ihr Kleinkind, das mit einem Seil ans Stuhlbein gebunden war, auf dem Boden mit einem kurzen Stück Eisenkette rasselte und auf die Kettenglieder biss.
    Susanne dachte daran, wie kalt das Kopfsteinpflaster sein musste, und fühlte sich versucht, das Kind vom Boden aufzuheben. Doch sie bezwang sich. Die Kleine trug ein recht sauberes warmes Kittelchen und sah nicht vernachlässigt aus.
    Ihre Mutter hatte die Ankömmlinge bemerkt. »’n Abend, Kathi«, grüßte sie. »Wenn ihr was kaufen wollt, müsst ihr morgen wiederkommen, das Haus

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