Salz und Asche - Roman
krampfhaft festgehalten hatte, und lehnte sich wieder gegen die Wand. »Du verstehst mich falsch. Ich werde die Kinder schon suchen, da mach dir keine Sorgen.«
»Aber ich?«
Er sah sie sanft an. »Du sollst dich nicht ins Gerede bringen. Die Leute reden, wenn sie dich entdecken, wo du nichts verloren hast, und sie reden, wenn sie uns zusammen sehen. Das weißt du doch, oder?«
»Und ist es wirklich das Wichtigste auf der Welt, was die Leute reden? Sie reden so viel dummes Zeug, so viel Unwahres.«
»Aber sie können dir damit schaden bis zum Tod. Und mir. Gleich, ob sie Wahres reden oder nicht. Wenn Schmitt hört, dass ich Meister Büttners Ehre angekratzt habe, dann schickt er mich gewiss packen.«
»Auch wenn du ihm die Wahrheit sagst?« Ihre Kehle schnürte sich zu. Sein trauriger Blick brannte auf ihr, doch er schwieg. »Also gut«, sagte sie und hob den leeren Korb auf. »Was sollen wir noch reden? Wahrscheinlich hast du recht. Such allein.« Sie spürte, wie ihr die Tränen kamen. Rasch wandte sie sich ab. Auch wenn sie ihn verstand, tat die Zurückweisung weh.
»Warte!« Er trat ihr in den Weg und legte eine Hand auf den Henkel des Korbes, um sie zurückzuhalten. Seine Stimme klang gepresst, als er weitersprach. »Die Wahrheit ist, dass ich es gern tun würde, wenn ich dürfte.«
Heillose Verwirrung ergriff Susanne, ihr Herz schlug ihr bis zum Hals. »Was?«, flüsterte sie.
Er zögerte und stieß dann die Luft aus, als hätte er sie minutenlang angehalten. »Um dich freien. Ich weiß, dass ich es nicht darf und dass ich keine Aussicht habe und … Aber es ist nicht, weil ich dich nicht … Ach, verflucht!«
Bevor er den Korb loslassen und von ihr Abstand nehmen konnte, ergriff sie seinen Hemdsärmel. »Wie kannst du dir so sicher sein, dass du keine Aussicht hast?«
»Hör doch auf. Eher gefriert die Hölle.«
Susanne schüttelte den Kopf, legte den Finger auf ihre Lippen und berührte dann behutsam die seinen. »Am Sonnabend sind mein Vater und Martin zu einer Festtafel geladen. Ich werde um diese Zeit herkommen und auf dich
warten. Bis dahin denke ich über das nach, was du gesagt hast. Aber ich glaube nicht, dass ich deiner Ansicht bin.«
Sie nahm ihren Finger von seinen Lippen. Flüchtig wirkte er so verblüfft, als hätte sie ihn geohrfeigt, dann trat sein Kiefermuskel mit einem Ruck hervor. »Ich kann das nicht, Susanne. Solche Spiele kann ich nicht spielen.«
Doch als sie zitternd zurücktrat, legte er die Hände auf ihre Oberarme und zog sie behutsam näher zu sich heran. Sie ließ den Korb fallen und umarmte ihn, spürte durch sein Hemd die warmen, harten Muskeln. Er schloss seine Arme um sie und hielt sie fest, sodass sie ihr Gesicht an seine Brust legen und seinen schnellen Herzschlag spüren konnte. Bei aller Verwirrung stieg ein unbeschreibliches Glücksgefühl in ihr auf.
Eine Weile standen sie so da, als würden sie nie wieder etwas anderes tun wollen. Dann legte Jan ihr eine Hand in den Nacken und flüsterte nah bei ihrem Ohr: »Das wird kein gutes Ende nehmen, Susanne.«
Sie musste lächeln, weil es so gut klang, wie er ihren Namen sagte. »Mein Vater ist nicht so schlimm, wie du glaubst. Du musst nicht so schwarzsehen.« Sie sah zu ihm auf, doch er blieb ernst, neigte sich nur weiter zu ihr. Sie verstand, was er sich wünschte, und kam ihm mit ihrem Mund entgegen. Weich und warm waren sein Lippen, jede Berührung ließ ihr Herz einen Salto schlagen. Er küsste behutsam ihre Lippen, ihr Gesicht, ihren Hals und streichelte sie dabei, als wäre sie ein zerbrechliches Kleinod. Am Ende lehnte er seinen Kopf an ihren und zog sie wieder fest an sich. Susanne schmiegte sich an ihn, ohne Scham zu fühlen. Jan atmete schwer und strahlte eine Wärme aus, in die sie sich einhüllen wollte.
»Am besten, du gehst jetzt«, sagte er.
Sie nickte und trat widerwillig von ihm zurück. »Und treffe dich am Sonnabend wieder hier?«
»Ich könnte wohl nicht fortbleiben, selbst wenn ich wollte.« Noch einmal berührte er sie, strich mit zwei Fingern über ihre Wange und ihren Mund.
Susanne wusste später nicht, wie sie es geschafft hatte, nach Hause zu gehen und ihrer Familie unverdächtig zu begegnen. Sie fühlte sich so leicht, dass sie zu schweben meinte, und in ihrem Gesicht musste geschrieben stehen, was sie erlebt hatte. Doch es gelang ihr, den Rest des Abends hinter sich zu bringen, ohne jemandem aufzufallen.
Erleichtert schlüpfte sie in ihr Bett und tat so, als wäre sie zu
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