Salz und Asche - Roman
wären ein hübsches Paar.«
Susanne blieb fast der Mund offen stehen. »Martin! Was ist in euch gefahren? Lenhardt hat nichts weiter getan, als mir auf Wiedersehen zu sagen! Wie könnt ihr da annehmen … Mir ist nicht einmal in den Sinn gekommen, dass er auf Brautschau ist.«
Die Männer schmunzelten beide, ihr Vater lachte sogar in sich hinein. »Aber nun hast du es im Sinn«, sagte er und sah dabei so zufrieden aus, dass Susanne sprachlos war.
Kopfschüttelnd wandte sie sich dem Tisch zu, um Becher und Krug abzuräumen. Erst jetzt bemerkte sie, dass Regine, die still auf ihrem Stuhl saß, sie mit großen Augen anstarrte. Wahrscheinlich hatte sie kein Wort von diesem merkwürdigen Gespräch verstanden und war nun verstört. »Es ist nur ein Scherz, Gine. Denk dir nichts dabei«, sagte sie.
Regine nickte. »Nur ein Scherz«, wiederholte sie, doch ihr Blick blieb verstört, und ihre Wangen waren bleich.
4
Ein heimlicher Winkel
J ans ehrliche innere Stimme kannte den Grund für die schlechte Laune, die er den ganzen Tag lang verspürt hatte. Oberflächlich konnte er die Schuld auf die Hast schieben, mit der er arbeiten musste, seit Albert in der Schmiede fehlte. Er konnte auch das Gespräch dafür verantwortlich machen, das er am Vorabend mit dem dümmlichen Weib an der Bardowicker Mauer geführt hatte. Es hatte ihn all seine Geduld gekostet, ihr höflich zuzuhören.
Die Wahrheit war jedoch, dass er nicht daran vorbeikam, am Abend den leeren Korb in die Böttcherei zu bringen, und ihm dabei grässlich unwohl war.
Sie hatten mit dem Schmieden schon vor einer Weile Feierabend gemacht, aber da er zurzeit den größten Teil von Alberts Arbeit übernahm, war er noch mit Aufräumen beschäftigt. Etwas Glut musste auf der Esse zusammengeschoben und mit der Stülpe bedeckt werden, damit das Feuermachen am nächsten Morgen schneller ging. Die Asche jedoch wurde entfernt. Gewöhnlich gab er sich keine Mühe damit, doch heute fegte er gründlich.
Damals, vor langer Zeit, hatte seine Mutter das getan. Sie war zum Feierabend aus den Wohnräumen in die Schmiede gekommen, um zu helfen. Mit Liebe und Sorgfalt hatte sie sich um die Esse gekümmert, aber eigentlich wohl nur, weil sie bei ihrem Mann sein wollte. Zuerst bei
seinem Vater, später dann bei seinem Stiefvater. Doch daran wollte er nicht denken.
Aus dem Augenwinkel sah er, wie Minka hereingeschlichen kam. Sie strich ihm um die Füße, wohl wissend, dass er der Einzige war, der sie nicht mit einem Tritt hinausjagen würde.
Er hielt beim Fegen inne und schob sich mit dem Ellbogen die Haare aus dem Gesicht. Er hatte sich in seinem Leben schon oft genug bewiesen, dass er nicht feige war. Umso schwerer trug er nun an seiner Furcht. Es war nicht die Angst vor Susannes Vater und ihren Brüdern, obwohl er glaubte, dass sie im Ernstfall kräftig zuschlagen konnten. Auch vor scharfen Worten und Blicken hätte er nicht gekniffen. Was ihn bedrohte, waren vielmehr die Folgen, die es haben würde, wenn ein geachteter Mann wie Ulrich Büttner sich öffentlich gegen ihn aussprach und die bösen Zungen wieder anfingen zu hetzen. Der Streuner Niehus hat sich an die Büttnertochter herangemacht, habt ihr schon gehört? Was dem einfällt! An Büttners Stelle hätt ich ihm nicht nur in den Hintern getreten. Dann wäre es aus mit seinem Platz in dieser Stadt. Schmitt müsste nicht mehr lange überlegen, welchem Gesellen er den Vorzug gab.
Aber all das, sagte seine innere Stimme, ist nicht das, wovor du heute Abend Angst hast, wenn du zur Böttcherei gehst.
Er legte die Kehrschaufel und den Besen aus der Hand und ging in die Hocke, um die Katze zu kraulen. Wenn er Susanne wieder gegenüberstand, dann würde sich vielleicht zeigen, dass er sich überflüssige Gedanken machte. Wahrscheinlich war sie zur Besinnung gekommen und würde sich hüten, ihm noch einmal solche Blicke zuzuwerfen wie
am Vortag. Sie war nicht dumm und würde sich daran erinnern, dass sie mit einem wie ihm nichts anfangen konnte. Damit wäre die Sache dann erledigt, und er könnte aufhören, sich über Dinge den Kopf zu zerbrechen, die nie geschehen würden.
Und genau davor hast du Angst , sagte seine innere Stimme. Ausnahmsweise klang sie nicht spöttisch.
Es war ein milder, windstiller Abend. Susanne setzte sich nach dem Essen mit Liebhilds Puppe auf die Bank neben der Küchentür und knüpfte ihr Haare aus Wolle. Zu ihrem Leidwesen gesellten sich bald Lene und Regine zu ihr, und wenig später folgten
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