Salz und Asche - Roman
langsam den Kopf. Susanne sah ihm in die Augen und hatte weiterhin das verwirrende Gefühl, dass sie beide über eine andere Sache sprachen, als sie eigentlich meinten. Ohnehin stand er so nah bei ihr, dass sie kaum noch sinnvoll denken konnte. Sie gab sich einen Ruck. »Hast du etwas über die Kinder herausgefunden? Warst du bei der Lohmann?«
»Ja. Sie handelt mit geflicktem Zeug. Die ganze Bude liegt voll Lumpen, und die Kinder dazwischen. Man kann sie bei dem Funzellicht da drin nicht von den dreckigen Kitteln und Hosen unterscheiden, auf denen sie hocken. Ich wäre beinah auf eines getreten. Jämmerlich sehen sie aus, als hätten sie nicht lange zu leben. Und die Frau ist ein bisschen tumb. Sie hat Wort für Wort geglaubt, was man ihr von dem Kinderhändler erzählt hat. Er wolle die Kleinen in eine neue Welt führen, hat sie mir gesagt. Dort würden sie wohlbehütet zu guten Menschen gemacht und später nur unter ihresgleichen leben, wie im Paradies vor dem Sündenfall. Wenn ich Kinder kaufen wollte, dann würde ich den Eltern das Gleiche vorlügen.«
»Also wollte sie ihm ihre Kinder tatsächlich geben?«
»Das streitet sie ab. Aber die Nachbarin zwei Buden weiter, die hätte ein Kind verkauft, sagte sie. Also bin ich dahin gegangen und habe gefragt. Und die Frau war weg, zurück in ihr Dorf. Mit oder ohne Kind wusste keiner, aber die anderen Bewohner meinten, es würde sie nicht wundern, wenn sie das schwierige Balg verkauft hätte. Sie hätte nur Scherereien damit gehabt, und der Mann, den der Händler herumgeschickt hat, der hätte ja so honigsüß geredet.
Das ist alles, was ich herausgefunden habe. Dass ein kleiner, dicker Diener mit Gehstock in der Stadt herumlief und süß geredet hat. Nicht sehr hilfreich.«
»Aber es zeigt doch, dass da wirklich etwas geschieht. Was will dieser Händler mit den Kindern, was glaubst du?«
Jan zuckte mit den Schultern und mied ihren Blick. Seine verschlossene Miene verriet ihr, dass er nicht weiter mit ihr darüber sprechen wollte, doch sie war noch nicht zufrieden. »Ein Fremder, der plötzlich Kinder bei sich hat, fällt doch auf. Können wir nicht in den Herbergen fragen?«
Er schnaubte. »Willst du das auch heimlich tun und hoffen, dass dein Vater nichts davon erfährt?«
Susanne fing an, sich über ihn zu ärgern. Offensichtlich lag ihm nichts daran, mit ihr gemeinsam abzuwägen, was getan werden konnte. Nahm er sie nicht ernst, weil sie eine Frau war? Ihr Vater hatte sich mit ihrer Mutter sogar in geschäftlichen Dingen beraten. »Machst du dich über mich lustig?«
Er schwieg und sah sie wieder nur an, auf die widerstrebend zärtliche Art, die sie nach ihrer letzten Begegnung zu der Annahme verleitet hatte, er empfände etwas Besonderes für sie. Aber er bekam nicht den Mund auf, um zu sagen, dass er sich nicht über sie lustig machte. Sie stampfte mit dem Fuß auf. »Gut, dann geh hin, wo der Pfeffer wächst. Wenn du die Kinder nicht finden willst, dann lass es bleiben. Ich suche sie mit Till zusammen. Und ob mein Vater davon erfährt, das lass meine Sorge sein.«
Bevor sie sich abwenden konnte, streckte er die Hand aus. »Du weißt nicht, was du tust. Du hast eine Familie, einen Vater und Brüder, die eine Ehre zu verlieren haben. Sie
werden mit Recht wüten, wenn du durch den Hafen und die Schenken läufst und mit Gesindel verkehrst.«
»Deshalb hatte ich gehofft, du würdest helfen.«
»Deinem Vater wird auch nicht gefallen, dass du mit mir verkehrst. Ich stehe für ihn nicht über dem Gesindel.«
Seine Gesichtszüge waren hart, als er das aussprach, und Susanne begriff endlich, worum es ihm ging. »Mein Vater ist nicht ungerecht. Warum sollte er etwas gegen dich haben?«
»Ich kann dir nur sagen, dass er mich nicht gern in deiner Nähe sieht.«
Das verschlug ihr die Sprache. Wie viele Gelegenheiten hatte ihr Vater schon gehabt, ihn in ihrer Nähe zu sehen? Bis vor einigen Tagen hatte sie noch geglaubt, Jan bemerke sie nicht einmal. »Das stimmt doch nicht«, widersprach sie, doch ihre Stimme schwankte dabei.
»Und wenn doch? Was hat es für einen Sinn, dass wir uns zusammentun? Selbst wenn wir bei der Suche erfolgreich sind … Am Ende werden wir beide Ärger haben.«
»Und du meinst, das ist es nicht wert? Willst du lieber die Kinder ihrem Schicksal überlassen?« Susanne wusste, dass sie mutiger tat, als sie war. Sie hatte noch nie Anlass gehabt, ihrem Vater ernsthaft zu trotzen.
Jan stellte endlich den Korb aus der Hand, den er bis dahin
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