Salz und Asche - Roman
schön und verblüffend hoch für ihre eher bescheidene Länge. Jan mochte die eisernen Dämonen am Turm. Etwas in der Art hätte er gern einmal angefertigt.
Rieger hatte offensichtlich kein Interesse an der Kirche, er ging zügig daran vorüber und verließ durch das Bardowicker Tor die Stadt. Jan schauderte, wie er es immer tat, wenn es darum ging, die Stadt zu verlassen. Als Vierzehnjähriger hatte er sie betreten und sich geschworen zu bleiben. Er war so beeindruckt gewesen von dieser heilen Welt, der man den langen Krieg kaum ansah. Die mächtigen Türme der Kirchen und der Stadtmauer hatten Zuverlässigkeit und Sicherheit ausgestrahlt. Die Menschen schienen im Wohlstand zu leben, und er hatte einer von ihnen sein wollen. Es hatte eine Weile gedauert, bis ihm klargeworden war, wie schwierig das werden würde.
Trotz seines unwohlen Gefühles schritt er kurz nach Rieger durch das Tor. Mauer und Wall erschienen auf dieser Seite der Stadt stärker befestigt, dafür gab es keinen wassergefüllten Graben. Das Süßwasser wäre in den Boden gesickert und hätte die unterirdisch fließende Salzsole verdorben.
Der Anblick der Wiesen und bestellten Felder vor der Stadt und der Geruch von frischem Gras und Holz waren eine Wohltat. Auch wenn er noch so fest entschlossen war, in der Stadt zu bleiben, wusste er die saubere Luft und den freien Himmel zu schätzen.
Rieger schlug die Richtung zum Fluss ein, blieb aber plötzlich stehen und sah zu Boden. Jan, der schon dabei gewesen war, ihm zu folgen, schwenkte um und spazierte geradeaus von der Stadt fort, als hätte er nichts anderes vorgehabt. Doch das Täuschungsmanöver war unnötig. Rieger bückte sich, hob etwas auf und ging auf dem Weg zur Hude weiter. Links und rechts seines Weges lagerten die Holzvorräte der Stadt. Hunderte Klafter von Stämmen und Ästen waren zu gewaltigen Stapeln aufgetürmt. Wie Häuser lagen sie da, mit Gassen und Straßen dazwischen, als wäre die Holzhude eine Stadt für sich. Die Luft war satt von würzigem Harzduft. In der Ferne schimmerten die weißen Gipshügel, die am hintersten Ende der Hude aufgeschüttet waren und darauf warteten, verladen zu werden.
Als Rieger ein Stück auf dem Hauptweg zurückgelegt hatte, änderte Jan seine Richtung erneut. Eilig ging er zum Flussufer. Wenn er den zum Hauptweg parallelen Pfad nahm, der an den Anlegern für die Holzkähne entlangführte, konnte er Rieger auf den Fersen bleiben, ohne direkt hinter ihm zu gehen. Durch die Holzstapelgassen hindurch versuchte er, ihn im Blick zu behalten, doch das erwies sich als unmöglich. Immer wieder musste er außerdem den wüsten Holzbergen ausweichen, die noch nicht zu ordentlichen Gebäuden aufgeschichtet waren.
Von einigen am Anleger festgemachten Kähnen aus beäugten ihn Holzschiffer misstrauisch, aber träge. Gerade kam er zu dem Schluss, dass er zurück auf den Hauptweg musste, wenn er Rieger nicht verlieren wollte, da kam dieser ein Stück vor ihm aus einer der Gassen. Er sah Jan an, grüßte ihn aber nur oberflächlich, wie jemanden, dem er nie zuvor begegnet war. Jan nickte zurück und setzte seinen
Weg so gemächlich fort, als machte er einen Abendspaziergang.
Als Rieger die Stufen zur Haustür der Warborch emporstieg, der Wohnung des Hudenaufsehers, ging Jan einfach weiter. Aus dem Augenwinkel sah er noch, wie jemand Rieger einließ.
Hinter der Warborch erstreckte sich die Holzstapelstadt der Hude noch weiter am Ufer entlang. Etliche Schiffe lagen zwei- und sogar dreireihig zwischen den kleinen Ladekränen auf dem Fluss, die typischen Ewer der Lastenfahrer und kleinere Boote von Bauern. Eines jedoch hatte einen Anlegeplatz für sich allein. Es stach durch seine Größe und Pracht hervor. Das edle Holz und die geschmückten, zum Teil vergoldeten Aufbauten wiesen auf einen reichen Besitzer hin. Den komfortablen Unterkünften nach handelte es sich um ein Reiseschiff. Die Neugier übermannte Jan. Er wandte sich an den nächsten Schiffer, der Wache auf seinem Ewer saß und dabei an einem Holzstück schnitzte. »’n Abend, Meister. Ein prächtiger Kahn ist das da. Wisst Ihr, wem der gehört?«
Der Mann sah ihn unter dem Rand seiner speckigen Mütze hervor teilnahmslos an. »’nem Herrn«, sagte er, senkte den Kopf und beschäftigte sich weiter mit seiner Schnitzerei.
Jan feixte innerlich. Was hatte er erwartet? »Habt Dank. Scheint ein reicher Herr zu sein, wenn meine Augen mich nicht trügen. Woher stammt er denn?«
Der Schiffer blickte auf und
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