Salz und Asche - Roman
auf dich selbst aufpassen.«
»Im Gegensatz zu dir habe ich noch nie ernsthaft getändelt und habe es auch nicht vor. Das erspart mir das Leid.«
»Ach, glaubst du, ich hätte mir das ausgesucht? Jetzt lass mich endlich in Ruhe damit und erzähl mir vom Grafen.«
Till seufzte tief und zuckte mit den Schultern. »Die Lieb’ ist wie der Schwalbenkot, verblendet, wen sie troffen hot. Also gut. Der Herr von Waldfels hat mich eingeladen, sein Schiff zu besichtigen und eine kleine Lustfahrt zu unternehmen. Ich darf meine reizenden Schwestern mitbringen, falls sie es wünschen. Leider fürchte ich, dass Vater es verbieten wird, so wie er uns eben angebellt hat.«
»Aber was hältst du von dem Mann? Ich bin sicher, dass er die Kinder hat, und mich gruselt es dabei. Meinst du, wir können da noch etwas tun?«
»Warum gruselt es dich? Wenn er die Kinder hat, so können sie glücklich sein. Auf mich hat er Eindruck gemacht. Seine Utopia ist doch ein prachtvolles Gedankenspiel. Wahrscheinlich wird es den Kindern dort besser gehen als an jedem anderen Ort.«
»Glaubst du das wirklich? Ich fürchte, er weiß nicht, wie Kinder sind. Sie werden ihn enttäuschen. Und was wird er dann tun? Außerdem frage ich mich, warum er aus seinem Plan ein solches Geheimnis macht. Er hätte doch vorhin offen über die Kinder sprechen können, wenn er ein reines Gewissen hat.«
»Geh, Suse! Was das auslösen würde. Hast doch gesehen, wie Vater und der alte Lossius auf seine Utopia ansprachen. Allein die Aufregung von Befürwortern und Gegnern würde es ihm unmöglich machen, seine Vorbereitungen in Ruhe zu treffen.«
»Seine Vorbereitungen! Er hat dich ja schnell überzeugt. Denkst du noch daran, dass seine Vorbereitungen womöglich etwas mit einem Mord zu tun haben? Dein Herr von Utopia ist vielleicht nicht ganz so gut, wie er sich sein Volk wünscht.«
»Das sind doch Hirngespinste. Da hat ein Lump einem
anderen Lump den Schädel eingeschlagen, mehr nicht. Würdest du nicht zufällig den Albert kennen, hättest du keinen zweiten Gedanken daran verschwendet.«
»Aber ich kenne ihn nun einmal und kann nicht verstehen, wie du so gleichgültig gegen sein Schicksal sein kannst.«
Wütend hob er die Hand und drohte ihr. »Nenn mich nicht gleichgültig. Du bist leichtgläubig, das ist es! Hast du dir ein einziges Mal ernsthaft überlegt, ob Albert nicht wahrhaftig der Mörder sein kann? Was ich inzwischen gehört habe, ist, dass er schon mehrmals nah daran war, sich mit Wenzel zu schlagen. Und zu seiner Stiefmutter war er ebenfalls nicht immer nur freundlich.«
»Herrgott, Till! Bist du zu mir immer freundlich? Ist Martin zu dir freundlich? Vom Streit zum Mord ist es doch noch ein weiter Weg. Willst du denn gar nichts mehr unternehmen?«
»Wenn ich etwas Neues höre, dann werde ich danach handeln. Darüber hinaus mischen wir uns nicht ein, verstanden?«
»Befiehlst du mir?«
»Lässt du mir eine Wahl? Du scheinst deine Vernunft völlig verloren zu haben. Ich will dir nicht damit drohen, dass ich dich an Vater verrate, also muss ich dir wohl versprechen, dass ich dich selbst übers Knie lege. Benimm dich gefälligst, wie es einer jungen Frau aus einem guten Haus gebührt, und bring dich nicht in Schwierigkeiten.«
»Ich kann es nicht glauben. Gerade du! So bist du doch nie gewesen.«
»So bist du auch noch nie gewesen.«
»Was meinst du? Ich hatte schon immer einen eigenen Willen.«
»Aber du warst dabei noch nie eine schöne Frau, die mit verdrehtem Kopf herumläuft. Ich lasse nicht zu, dass du dich und die Familie leichtfertig in Gefahr bringst.«
Ohne dass sie es merkten, waren ihre Stimmen lauter geworden, bis die Tür der Schreibstube geöffnet wurde. Ihr Vater steckte das dunkel umwölkte Haupt heraus. »Darf man erfahren, warum ihr beide euch da auf der Diele herumzankt? Geht in den Keller, wo ihr nicht stört! Man sollte meinen, dass ihr mich für einen Tag genug geärgert habt. Oder habt ihr etwas zu schlichten? Dann nur heraus damit!«
Till schüttelte den Kopf. »Nein, schon gut. Es ist alles geklärt.« Mit lächerlich übertriebener Höflichkeit verneigte er sich gegen Susanne und wies ihr den Weg zur Treppe, um sie vorausgehen zu lassen.
»Ungares Kroppzeuch«, murmelte ihr Vater, als er die Tür wieder schloss.
Während Susanne die wohlbekannten Stufen der Wendeltreppe emporstieg, die weit schlichter gestaltet war als das Prunkstück im Haus Lossius, wurde das Gemisch aus Wut und Sorgen in ihr zur Verzweiflung.
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