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Salz und Asche - Roman

Salz und Asche - Roman

Titel: Salz und Asche - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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selbst auch?«, fragte Lenhardt.
    Susanne schüttelte den Kopf. »Als Kinder haben wir alle viel gesungen. Jetzt singe ich nur noch in der Kirche.«
    »Wie schade, sonst hätte ich euch beide gebeten, uns etwas vorzusingen.«
    »Ich kann mitsingen!« Liebhild rutschte eifrig auf ihrem Stuhl nach vorn und sah zwischen Lenhardt und Susanne hin und her. »Wir können ›Nun jauchzet all ihr Frommen‹ singen. Das klingt bei Regine soo schön, und ich kann es auch. Ja, Suse? Bitte!«
    »Nur, wenn Herr und Frau Lossius es auch wünschen und wenn es Vater recht ist, Liebchen. Vielleicht mag es jetzt gerade nicht jeder hören.«
    Es wunderte Susanne, wie rasch alle der Gesangsdarbietung zustimmten, bis sie begriff, dass Lossius und ihr Vater hofften, damit das Gespräch über von Waldfels’ leidige Utopia zu beenden.
    »Ich begleite die holden Sängerinnen.« Lenhardt stand auf, bat Regine und Liebhild, ihm zur Stirnseite des Saals zu folgen, und nahm im Vorübergehen eine Laute von einem Wandhaken. Er stimmte sie flüchtig, dann nickte er
Regine zu, die ihn mit großen Augen ansah. »Sing einfach. Ich finde schon zu dir.«
    Es gehörte zu den ungeklärten Rätseln, warum Regine sich zwar nicht merken konnte, dass sie Schuhe anziehen musste, aber den Wortlaut eines jeden Liedes im Gedächtnis behielt, das sie je gehört hatte. Susanne hatte genug Vertrauen in ihre Fähigkeit, um sich ohne Sorge über den Moment zu freuen. Selbst hätte sie ungern ihren Platz eingenommen, obgleich sie sich fragte, wann und warum sie aufgehört hatte zu singen. Das Bedürfnis schien eines Tages in ihr erloschen zu sein.
    Alle lauschten der Musik und dem Gesang der lieblichen Stimmen andächtig, doch Herr von Waldfels schien über alle Maßen in Bann geschlagen. Er betrachtete die Sängerinnen mit einem Ausdruck, der über Verzückung hinausging. Susanne hielt es für möglich, dass sie aus Misstrauen Gespenster sah, doch für sie schien der reiche Herr ihre Schwestern gierig zu betrachten. Sie schauderte, als sie ihren Blick wieder den Musizierenden zuwandte. Lenhardt schlug die Laute unaufdringlich und angenehm. Ebenso sanft, aber doch direkt sah er sie an. Manchmal, wenn die Melodie besonders gefühlvoll wurde, schloss er kurz die Augen, um gleich darauf wieder ihren Blick zu suchen.
    Susanne seufzte. Die meisten jungen Frauen mussten ihm hoffnungslos verfallen. Sie hoffte nur, dass sie nicht mehr allzu lange bleiben würden.
    Frau Lossius legte ihren Seufzer sogleich falsch aus. Mitfühlend legte die ältere Frau ihr eine Hand auf den Unterarm und blinzelte ihr verschwörerisch zu. »Hinreißend, nicht wahr?«
    Susanne lächelte hilflos und konnte nicht verhindern, dass ihr wieder einmal das Blut in die Wangen schoss. Mit
glühendem Gesicht stimmte sie in den Beifall ein, als das Lied zu Ende war.
     
    Der Besuch bei den Lossius’ endete nicht mit der Gesangsdarbietung. Susannes Vater vertiefte sich erst im Anschluss daran mit Herrn Lossius in eine lebhafte Besprechung gemeinsamer Geschäftsvorhaben. Susanne hätte auch diesem Gespräch gern zugehört, musste ihre Aufmerksamkeit jedoch weiterhin Frau Lossius und Lenhardt schenken, die sich über zahllose Fragen zu Musik, Kirche, Haushalt und ihr unbekannten Freuden des Lebens austauschen wollten. Nebenbei bekam sie noch mit, dass es Till gelang, seine Unterhaltung mit Herrn von Waldfels auf dessen prachtvolles Schiff zu lenken, doch die Einzelheiten entgingen ihr.
    Auch nachdem sie mit ihrer Familie das Haus Lossius verlassen hatte, erhielt sie keine Gelegenheit, mit Till über das zu sprechen, was er von Herrn von Waldfels erfahren hatte. Lenhardt begleitete sie nach Hause. Er schritt artig an der Seite ihres Vaters und hörte sich dessen Zusammenfassung des Tischgespräches an. Nur gelegentlich sah er sich über die Schulter zu ihr und ihren Schwestern um, als wolle er sich dafür entschuldigen, dass er nicht mit ihnen sprach.
    Till und Martin gingen am Schluss und stritten sich, zwar in gedämpfter Lautstärke, deshalb aber nicht weniger erbittert. Susanne konnte heraushören, dass es um Utopia ging. Vermutlich würde es noch den ganzen Abend um Utopia gehen - vor allem, wenn ihr Vater sich schließlich frei fühlte, seine Ansichten auszusprechen. Vielleicht würde es der richtige Zeitpunkt sein, um ihm von den Kindern zu erzählen.
    Susanne musste bald feststellen, dass sie sich darin irrte.
Nachdem Lenhardt sich verabschiedet hatte, schlug die nach außen hin aufgeräumte Stimmung

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