Salz und Asche - Roman
ihres Vaters um. Er stülpte seinen Sonntagshut so unbeherrscht über den Haken, dass er sich ausbeulte. »Ich hatte es ja schon geahnt. Aber dass ihr mich dermaßen beschämen müsst! Susanne, was war das für ein Benehmen? Auch wenn du noch nicht oft mit hohen Herrschaften am Tisch sitzen durftest, hätte ich doch gemeint, du wüsstest, dass eine junge Frau sich nicht so hervortun darf. Was hast du dich einzumischen, wenn ein hochwohlgeborener Graf seine Pläne darstellt? Ganz gleich, wie unsinnig sie sein mögen. Was müssen Lossius’ von dir gedacht haben? Von deinem Bruder bin ich nichts anderes gewöhnt, aber immerhin blamiert er mehr sich selbst als seine Familie, wenn er vor dem hohen Herrn Unfug redet. ›Ihr seid gesegnet, Meister Büttner!‹ Ja, fürwahr, welch meisterhafte Ironie!«
Ohne sich nach ihr umzusehen marschierte er in seine Schreibstube gegenüber der Dornse und schloss die Tür von innen.
Martin zog seinen guten Rock aus und gab ihn ihr, damit sie ihn weghängen konnte. »Tja, wo er recht hat, da hat er recht. Das war schon sehr vorlaut. Warum wolltest du auffallen? Du hattest doch schon reichlich Aufmerksamkeit. Lossius macht dir ja Augen, dass mir vor Scham ganz anders wird. Solltest dich doch lieber schnell entschließen, ihn zu heiraten, sonst wird die Sache noch Aufsehen erregen, so wie er sich zur Schau stellt.« Brüsk wandte er sich ab und folgte ihrem Vater in die Schreibstube.
Susanne fühlte den Drang, ihm seinen guten Rock nachzuwerfen. Sie beherrschte sich nur, weil sie sich selbst Arbeit damit machen würde. Mit steifen Bewegungen wandte sie sich Till zu, der ihr seinen Rock am ausgestreckten Arm
hinhielt. Sie riss ihn ihm aus der Hand. »Hast du mir auch noch etwas zu sagen?«
Seine Augen funkelten auf, so wie bei dem Bruder ihrer Kindheit. Fast wollte sie schon lächeln, da wurde er plötzlich ernst. »Was den Gecken angeht, hat Martin recht. Der legt sich ins Zeug, dass einem schlecht wird. Am Ende wird dir nichts anderes übrig bleiben, als Ja zu sagen.«
»Unsinn. Er hat noch nicht einmal gefragt.«
»Die Frage wird ihn nicht viel Zeit kosten. Was wirst du antworten?«
»Das weißt du genau.«
»Dann Gnade dir. Ich möchte nicht in deiner Haut stecken.«
Susanne legte den Finger auf ihre Lippen und zeigte auf Liebhild, die nicht wie Regine in die Küche gegangen war, sondern dem Wortwechsel aufmerksam zugehört hatte.
»Will Lenhardt Suse heiraten?«, fragte ihre Kleine prompt. »Das geht doch nicht. Sie muss ja hierbleiben. Du willst ihn nicht heiraten, Suse, oder?«
»Ich will noch gar nicht heiraten. Mach dir keine Gedanken, Liebchen. Und nun zieh dich um und sieh zu, ob du Lene und der Muhme noch etwas helfen kannst, damit sie auch ihren Sonntagabend bekommen.«
Sie wartete, bis Liebhild die Wendeltreppe hinaufgehüpft war, bevor sie das Wort leise wieder an Till richtete. »Ich wünschte, ihr würdet alle aufhören, davon zu sprechen. Die ganze Aufregung ist überflüssig. Ich heirate Lenhardt nicht.«
Till trat näher zu ihr und flüsterte erbost: »Sag es Vater jetzt gleich, dann weißt du, wer sich hier etwas aus dem Kopf schlagen kann. Du bist schon so gut wie mit Lenhardt verheiratet! Und umso schneller, wenn du auch
nur andeutest, dass du einen gewissen anderen im Auge hast. Bevor Vater Jan Niehus um dich freien lässt, schlägt Mutter Künemann Salto. Und ausnahmsweise gebe ich ihm recht. Der Geck wird wenigstens gut für dich sorgen.«
Seine Worte trafen Susanne wie Schläge. Auch wenn sie wusste, dass sie sich in dieser Sache nicht einig waren, hatte sie Till ein wenig mehr auf ihrer Seite gewähnt. »Wenn du es so siehst, dann lass uns nicht mehr darüber sprechen. Was hat dir die Unterhaltung mit Herrn von Waldfels gebracht?«
Seine Schultern, die eben noch angespannt gewesen waren, sanken herab. »Ich meine es doch nur gut, Suse. Sieh doch, es gibt vieles, das du über das Leben nicht weißt. Mutter hätte dich gewiss gewarnt, aber da sie nicht hier ist …«
Till errötete, und seine Stimme wurde zu einem kaum hörbaren Flüstern. »Wenn du ihn weiter triffst, dann setzt er irgendwann seinen Willen durch. Am Ende macht er dir ein Kind. Und dann?«
Susanne dämpfte ihre Stimme ebenfalls. »Was weißt du von seinem Willen? So ist er nicht.«
»Ich bin ein Mann, Suse. Und nicht viel jünger als er. Kannst du mir nicht einfach glauben?«
»Ich glaube dir, dass du mich beschützen willst. Aber wenn ich das so höre, solltest du wohl besser
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