Salz und Asche - Roman
»Ja. Ich weiß, was du meinst. Aber woher kam dann das Geld? Seit wann hat er es denn gehabt?«
»Seit kurz nach dem Bittsonntag. Er kam erst in der Dunkelheit nach Hause. Ich hatte Sorge, dass ihn der Nachtwächter erwischt. Woher er das Geld hatte, weiß ich nicht. Am nächsten Tag fing er an, sich Dinge zu kaufen, die wir uns gar nicht leisten konnten. Neue Stiefel, einen Hut, eine schwere Messingschnalle von Baltasar. Da habe ich ihn so lange gebeten, bis er mir etwas abgegeben hat, damit ich die drückendsten Schulden bezahlen kann. Seit einer Weile kauft er nichts mehr. Es ist alles fort.«
»Hat es ihm ein anderer geliehen, was meinst du?«
In Gisels Augen flackerte ein unruhiges Licht. »Ich wünschte, es wär so. Aber uns leiht schon lange niemand
mehr Geld. Ich habe Angst, dass er es gestohlen hat. Dann käme ich doch auch vor Gericht, oder nicht? Ich habe es ja mit ausgegeben.«
»Ach was! Du konntest es nicht besser wissen, wenn er gesagt hat, er hätte es gewonnen. Traust du ihm denn zu, dass er stiehlt?«
»Nun, er ist nicht gerade ein frommer Kirchgänger. Es gibt nicht viel, was ich ihm nicht zutraue. Aber was soll ich machen? Er ist mein Mann.«
Susanne nickte verständnisvoll, obwohl sie innerlich vor Wut schäumte. In der Tat, was sollte diese kleine Frau machen? Die Spuren in ihrem Gesicht und am Leib ihrer Tochter zeigten, wie machtlos sie war. »Einen Totschlag würdest du ihm aber wohl nicht zutrauen? Oder ist er so arg?«
Gisel zuckte die zarten Schultern. »Manchmal ist er so arg. Da denkt man, er weiß nicht mehr, was er tut.«
»Warum hast du ihn denn geheiratet?«
»Ach, wie es so geht. Der Vater von Karl und Merle ist jung gestorben. Ich wusste nicht, wohin. Berthold wollte mich nehmen. Gott gedankt hab ich damals dafür. Und mein Karl stünde heute schlechter da, wenn ich es nicht getan hätte. Er wird als Sieder angelernt, weißt du? Dazu wär er ohne Berthold nicht gekommen.«
»Verdient Berthold in der Saline sehr schlecht?«
»Es ist nicht mehr wie früher. Seit mit dem Salz kein Vermögen mehr zu machen ist, knausern die Pfannenpächter und Sülfmeister, wo es nur geht. Aber es könnte trotzdem reichen, wenn Berthold ein anderer wäre. Ihm rinnt das Geld durch die Finger. Sogar das, was Merle und ich für unsere Kerzen bekommen, gibt er aus, wenn ich es nicht vor ihm tu.«
»Was macht er mit dem Geld?«
»Er kauft eben gern.«
»Ach. Tja, manche sind so. Weißt du, ich muss leider gehen. Trotz allem, vielen Dank für deine Zeit. Ich wünsche dir alles Gute für die Niederkunft. Möge der Herrgott dir diesmal ein gesundes Kind schenken.« Die Worte fühlten sich an wie leer dahingesagt. Wie viel Glück konnte diese Frau mit einem Kind erfahren?
Gisels Miene wurde ausdruckslos, ihr Blick wandte sich nach innen. »Nein. Es bewegt sich seit Tagen nicht. Ich glaube, der Herrgott will nicht, dass ich ein lebendes Kind von Berthold habe. Und er wird schon wissen, warum. Das glaube ich nun. Beim letzten Mal habe ich es noch nicht …« Sie schreckte zusammen und schleuderte Susanne ihren Korb in die Arme. »Schnell. Geh!«
Es war Susanne unbegreiflich, wie Gisel es hatte ahnen können, doch tatsächlich öffnete sich in diesem Moment die Haustür. Räuspern und schwere Schritte waren zu hören, dann stand der Mann vor ihr, den sie für einen Mörder hielt. Die kurzen Ärmel seines sommerlichen Wamses ließen die verbrannten Arme frei. Auch unter seinem wilden Bart schimmerte die Haut an einer Stelle rot wie eine Brandnarbe, und seine Augen funkelten im Halbdunkel des Hauses unheimlich. »Gott zum Gruß. Wen haben wir da? Was willst du hier? Doch nicht etwa meinen Weibern was aufschwatzen?«
Susanne spürte, wie ihre Hände anfingen zu zittern. Sie musste sich zusammenreißen. »Gott zum Gruß. Ich wollte etwas über das Kerzenmachen lernen und bin schon fertig damit. Gehabt Euch wohl.«
Sie wollte zur Haustür, doch er blieb breit vor ihr stehen und ließ sie nicht durch. Seine funkelnden Augen waren klein und wirkten tückisch. »Hübsches Ding«, sagte er.
»Lass sie in Ruhe, Berthold«, sagte Gisel leise.
»Warum? Vielleicht ist sie mir ja zugeneigter als ihr beiden Kühe. Was meinst du, Kleinchen, wollen wir uns noch ein bisschen unterhalten? Gisel holt uns eine Kanne Bier aus der Schenke, und wir machen uns lustig, na?«
Susanne wich seinem Blick aus und schüttelte den Kopf. »Ich muss gehen. Man wartet auf mich.«
»Ach, wer wartet denn? Mütterchen und
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