Salzburger Totentanz
präsentierte ihr sein schmales, muskulöses Hinterteil, während es sich gemächlich in Richtung auf das Rosenbeet zubewegte.
»Achilles, wehe, wenn du …«
Aber die Dogge trabte ungerührt am Strauch der »Malakoff« vorbei, umrundete die »Cardinal de Richelieu«, und gerade als Michaela einen erleichterten Seufzer ausstoßen wollte, hob sie an der prachtvollen »Cuisse de Nymphe« das Bein.
Das ging nun eindeutig zu weit. »Na, warte, du … du …« Michaela starrte den Hund böse an und ging mit langsamen Schritten auf ihn zu. Die Dogge stand, breit hechelnd, wie aus Marmor gemeißelt. Ihr nach Dosenfutter riechender Atem waberte Michaela entgegen und erstickte alle Düfte dieses herrlichen Sommerabends. Da spitzte der Hund die Ohren, senkte den Kopf und sträubte das Nackenfell.
»Vergiss es! Glaub ja nicht, dass ich Angst vor dir habe.«
Doch da merkte sie, dass die Aufmerksamkeit des Hundes gar nicht ihr galt. Seine schwarzen Augen waren starr auf einen Punkt hinter ihr gerichtet. Michaela erstarrte. Und obwohl die Abendsonne sie noch wärmte, spürte sie, wie sich eine Gänsehaut auf ihren Armen ausbreitete. Sie wagte nicht, sich umzudrehen, sondern lauschte angestrengt. Aber außer dem vertrauten brummenden Rasenmäher in einem Nachbargarten und dem Schlagen der Amsel auf dem Hausdach hörte sie nichts.
Wieder gähnte Achilles herzhaft und schüttelte sich.
Michaela drehte sich um. Der ungeharkte Kiesweg schimmerte rosa im Abendlicht, und erste graue Schatten sammelten sich in den Mulden, die ihre Fußabdrücke hinterlassen hatten. Nichts rührte sich. Sie blickte zu der Geißblatthecke, die das Grundstück zur Straße hin abschirmte, und dann zu dem weißen Gartentor, das zwischen den Zinnien und einer üppigen Staudenrabatte hervorschaute. Wie oft hatte ihr Vater die Namen seiner geliebten Pflanzen erwähnt. Sie kannte sie alle auswendig, auch wenn sie seine botanischen Vorträge gehasst hatte. Niemand war zu sehen. Michaela atmete erleichtert aus. Dann sagte sie sich, dass ein Einbrecher wohl kaum ein zweites Mal ins gleiche Haus eindringen würde. Zumindest nicht um diese Tageszeit, solange es noch hell war.
»Okay, das war’s!« Sie ging mit entschlossenen Schritten auf den Hund zu und packte das breite Halsband. »Wenn du jetzt jede Katze wie einen Einbrecher behandelst, müssen wir reingehen. Sonst bekomme ich noch einen Herzinfarkt.«
Michaela saß auf dem cremefarbenen Sofa im Wohnzimmer, einen Teller mit Weintrauben neben sich und ein Glas mit kaltem Mineralwasser auf dem Tisch. Etwas halbherzig verfolgte sie die Wiederholung eines »Tatort«. Sie hatte den Fernseher lauter stellen müssen, um Achilles’ unaufhörliches Schnarchen zu übertönen. Wie ein gestrandeter Wal lag der riesige Hund auf dem Seidenteppich. Als das Schnarchen der Dogge endlich aufhörte, war es schon fast halb zehn.
Michaela sah zu Achilles hinüber, der jetzt auf dem Bauch lag und sein knochiges Gesicht auf die Terrassentür gerichtet hielt. Sie folgte dem Blick des Hundes. Das Zimmer wurde nur vom flackernden Schein des Bildschirms erhellt. Trotz der Dunkelheit konnte sie den Garten noch schemenhaft durch die Glasscheibe der Tür erkennen.
»Achilles, da ist nichts, glaub mir«, sagte Michaela. »Luzifer fängt Mäuse, du dummer Hund.« Oder die Nachbarskatze benutzte das Kräuterbeet wieder als Klo.
Aber … hatte sie nicht gerade einen Schatten auf dem Rasen gesehen?
Die Dogge legte ihre Schnauze auf die Pfoten. Das Weiß in ihren Augen leuchtete im Halbdunkel. Dann hob sie den Kopf.
Michaela hielt den Atem an und schaute wieder zur Tür. Nichts war zu sehen, draußen im Dunkeln war nur das Nageln eines Dieselmotors zu hören. Vielleicht ein Taxi, das an der Hecke vorbeifuhr. Sie pflückte eine der blaurot schimmernden Beeren von der Traube und wollte sie gerade in den Mund stecken, als Achilles ein tiefes Grollen vernehmen ließ. Wieder starrte Michaela auf die Dogge, die sich lautlos erhob und mit gesenktem Kopf und drohend gesträubtem Nackenfell auf die Terrassentür zustakste.
»Achilles, was ist denn da drau…?« Der Satz blieb ihr in der Kehle stecken. Jetzt sah sie es auch: Ein Schatten, viel zu groß für eine Katze, bewegte sich im Garten. Irgendwer schlich da draußen herum. Michaela wollte schlucken, aber ihr Mund war wie ausgetrocknet. Das Küchenfenster! Nein, das hatte sie ja vorhin geschlossen. Das Flimmern des Fernsehers war von draußen sicher deutlich zu sehen. Wer immer in ihrem
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