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Salzburger Totentanz

Salzburger Totentanz

Titel: Salzburger Totentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Eberl
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Bank.« Er lachte dröhnend. Max, der Jagdhund, hob den Kopf. »Aber bitte, nur zu. Fühlen Sie sich ganz frei. Das Zeug ist im ganzen Haus verteilt.«
    »Danke«, sagte Katharina. »Hans, du hast gehört, was der Konsul gesagt hat. Und wir …«, sie drehte sich wieder zu den Wüsthofens um, »… machen jetzt gleich mal unsere Aufnahmen.«
    Wüsthofen erhob sich schwungvoll aus seinem Sessel und marschierte zu der Tür, hinter der der Fotograf verschwunden war. Katharina schaute Bosch an und machte eine Handbewegung, aus der er schloss, er solle einen Rundgang machen. Dann ging auch sie in die Halle hinaus. Bosch blieb mit dem Hund des Hauses zurück. Max brummte indigniert, senkte die Schnauze und warf ihm von unten her einen Blick zu.
    »Braver Hund«, sagte er und stand vorsichtig auf.
    Max machte keine Anstalten, sich auf ihn zu stürzen und ihn zu beißen. Trotzdem war Bosch froh, als er wohlbehalten in der Halle stand, wo Katharina gerade Wüsthofen und Sabine hinter dem Tisch platzierte und der Fotograf letzte Vorbereitungen traf. Der große Tisch war inzwischen mit blau-weißem Meissner Porzellan und graviertem Silberbesteck gedeckt worden. Ein gewaltiger Strauß Sonnenblumen thronte darauf, und der Fotograf stellte noch einen Korb mit Zierkürbissen dazu. Die silberne Folie reflektierte das Licht zweier Scheinwerfer. Katharina stand daneben und musterte das Arrangement.
    Heinrich und Sabine Wüsthofen standen hinter dem Tisch wie in der Bewegung erstarrt. Sie hielten Gläser mit Rotwein in den Händen und lächelten sich gezwungen an. Als Wüsthofen Boschs Anwesenheit bemerkte, entkrampfte sich seine Miene, und er deutete mit der freien Hand mehrmals nach rechts. Bosch nickte und setzte seinen Weg in der angegebenen Richtung fort.
    Als Erstes fiel ihm in dem Zimmer, das er betrat, der ausgestopfte Kopf einer Gams auf, deren Hals aus einem Holzschild zu wachsen schien und der, umrahmt von Geweihen, an der einen Wand hing. Mit ihren Glasaugen starrte sie auf ein goldgerahmtes Bild auf der anderen Seite. Bosch näherte sich dem Ölgemälde, das eine Gebirgsschlucht zeigte, aus deren Tiefen wallende Nebel aufstiegen. Er kniff die Augen zusammen. Das Motiv kannte er, wenn auch nicht dieses Bild, so doch ein ganz ähnliches. Er beugte sich vor.
    »Joseph Mallord William Turner«, flüsterte er.
    Natürlich war es nicht der St.-Gotthard-Pass, den Turner 1804 gemalt hatte. Bosch hatte die Bilder Turners in der Tate Gallery of British Art gesehen. Das Format hier war kleiner, und die biedermeierlichen Farben sagten Bosch, dass es nach 1816 gemalt worden sein musste, dem Jahr, als im Pazifik der große Vulkanausbruch gewesen war, dessen Asche das Tageslicht Europas auf Jahre verändert hatte. Bosch liebte die gemalten Morgenstimmungen der Romantiker in Rot, Violett und Orange. Aber er musste zugeben, dass die abendlichen Erdfarben in Turners Werk noch besser zur Geltung kamen. Auch diese kleine Gebirgslandschaft strahlte in Ocker und Gelbtönen. Bosch trat ein paar Schritte von dem Gemälde zurück und genoss den Anblick aus dieser Entfernung. Wüsthofen besaß also ein unbekanntes Bild des führenden Vertreters der Romantik. Und hängte es in sein Ferienhaus. Wahrscheinlich, weil das Motiv gut zum Alpenlandstil passte.
    Bosch machte sich wieder auf den Weg durch das Haus. Ein Barockportal, das als Eingang zur Bibliothek diente, ließ ihn erneut länger verweilen. Es war eine italienische Arbeit aus dem achtzehnten Jahrhundert, eine reiche, bunt gefasste Weichholzschnitzerei, deren zwei Säulen mit Amphoren und vergoldeten Akanthusgewächsen verziert waren und von römischen Kapitellen gekrönt wurden. Vom Bogenteil blickten drei geflügelte Engelsköpfe melancholisch auf Bosch herab, als sehnten sie sich in Wüsthofens Landhaus nach ihrem heimischen Palazzo.
    Er trat durch das Portal in die Bibliothek, deren Regale aus Zirbenholz bis an die Decke reichten. Ein Teppich in warmen Herbstfarben und große Ledersessel verbreiteten eine angenehme Atmosphäre. Zum zweiten Mal, seit er auf den Turner gestoßen war, regte sich so etwas wie Bewunderung in ihm. Er wollte gerade zu einem Regal gehen, um zu sehen, welche Art von Literatur hier gesammelt wurde, als sein Blick auf eine halbkreisförmige Nische fiel, die zwischen zwei Fenstern eingelassen war.
    Dort stand, mit leicht nach links geneigtem Kopf, eine Madonnenfigur. Sie lächelte. Ihr sanftes Gesicht wurde von Locken umrahmt, ein Zipfel ihres blauen Mantels schien

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