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Salzige Küsse

Salzige Küsse

Titel: Salzige Küsse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tine Bergen
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bitteren Geschmack bekam sie nicht weg. Sie wusste nicht, ob sie Jacob bewundern oder ausschimpfen sollte.
    »Eines Tages pflückten die Kinder wieder einmal Gras, als ihnen plötzlich ein Engel erschien. Er hatte so viel Mitleid mit den Brüdern, dass er ihnen das Schönste gab, was er besaß: einen Stern vom Himmel.
    Die beiden Jungen freuten sich unbändig über das Geschenk. Noch nie hatten sie so etwas Schönes bekommen, etwas, das nur ihnen allein gehörte. Stundenlang bewunderten sie den leuchtenden Stern. Aber dann wurde es kalt und dunkel und die Brüder mussten zurück nach Hause. Ihre Eltern warteten ja auf sie.
    Sie trauten sich nicht, den Stern mitzunehmen, weil sie Angst hatten, dass er ihnen dann abgenommen und verkauft werden würde. Also versteckten sie das Geschenk oben am Deich unter der Erde. Dort war es sicher und sie konnten den Stern am nächsten Tag wieder ausgraben und bestaunen.
    Abends gab es den üblichen grünen Grasbrei. Aber die beiden Jungen waren so glücklich über ihr Geschenk, dass sie den bitteren Geschmack zum ersten Mal gar nicht bemerkten.«
    Wieder beugte sich Jacob vor. Der zweite Kuss war so zärtlich und weich, er ließ Eve alles um sich herum vergessen. Als Jacob mit einem Mal innehielt und ihr den Zeigefinger auf die Lippen legte, machte Eve ein überraschtes Gesicht. Doch dann spürte sie das saure Kribbeln von Brausepulver und leckte es zaghaft von seinem Finger. Das Pulver vertrieb den bitteren Geschmack des Grases und Eve lächelte Jacob an.
    »Diesmal fanden die Jungen den Brei nicht bitter, sondern sauer, der Geschmack der Veränderung. Und das war für sie so besonders, dass sie gar nicht genug davon bekommen konnten.
    Am nächsten Morgen rannten die Brüder gleich zu der Stelle, an der ihr Stern vergraben lag. Aber zu ihrem großen Erstaunenwar von ihm nicht mehr die geringste Spur zu finden. Zunächst waren sie sehr enttäuscht. Doch dann bemerkten sie, dass genau an derselben Stelle plötzlich lauter sternförmige Blumen standen. Die Blütenblätter waren violett, aber die Mitte war gelb. Fast genauso strahlend gelb wie das Licht der Sterne.
    Die Brüder beschlossen, dieses Mal kein Gras zu pflücken, sondern die Blumen. Schlechter als Gras konnten sie nicht schmecken, dachten sie, und so hatten sie wenigstens noch etwas von ihrem Stern.
    Als sie abends nach Hause kamen, die Arme voller sternförmiger Blumen, schimpfte ihre Mutter mit ihnen. Die Blumen konnte man doch nicht kochen, sie sollten Gras mitbringen! Aber es war bereits dunkel und zu spät, um noch zurückzugehen. Also kochte ihre Mutter die Blätter der Strandastern. Vorsichtig kostete die Familie und aß dann rasch weiter. Die Blumen schmeckten so viel besser als das bittere Gras!«
    Noch bevor Jacob sie küsste, lehnte Eve sich zu ihm zurück. Das Blatt der Strandaster kitzelte ihre Lippen. Langsam kaute sie das Grün und spürte, wie der salzige Geschmack sich in ihrem Mund ausbreitete.
    »Zum ersten Mal seit Jahren konnte die Familie etwas anderes essen als den ekligen Grasbrei. Ihre Bäuche füllten sich mit dem nahrhaften Grün. Der Geschmack der Freiheit blieb in ihren Mündern zurück: Salz.
    Sie beschlossen, die Pflanze Salzaster zu nennen. Dank ihr bekam die Familie neue Energie. Ihre Situation erschien ihnen plötzlich nicht mehr so aussichtslos.
    Eines Tages entdeckte die Familie, wie Bienen den Nektar der Blüten sammelten. Sie folgten den Insekten zu ihrem Stock undfeierten ein wahres Fest, als sie zum ersten Mal den goldgrünen Honig kosteten. Der Nektar vermischte das Salz der Freiheit mit der Süße des Sieges. Ein Geschmack, den sie nie mehr vergessen sollten.«
    Sanft strich Jacob mit seinem Finger etwas Honig auf Eves Lippen. Sie kostete davon und ihre Zungenspitze fing sofort an zu prickeln. Er küsste sie auf die süßen Lippen. Stürmisch erwiderte sie Jacobs Kuss.
    Als sie eine ganze Weile später aufstanden, schaute Eve zu den Sternen hinauf. Es schien, als würden sie ihren Blick erwidern. Wie auf Wolken folgte sie Jacob den Pfad hinab und sie wusste, dass nichts mehr so schmecken würde wie bisher.

Kann ein anderer einem sich selbst schenken?
    Hätte mich das jemand früher gefragt, ich hätte die Frage wahrscheinlich nicht mal verstanden. Aber jetzt bin ich mir ganz sicher, dass man das kann
.
    Lukas hat mich mir selbst geschenkt. Und damit meine ich nicht das wunderbare Foto in dem verzierten Rahmen. Ich meine das, was sich hinter diesem Foto verbirgt. Die Fähigkeit, das

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