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Salzige Küsse

Salzige Küsse

Titel: Salzige Küsse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tine Bergen
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gewählt.«
    Jetzt zuckte Papa schnaufend mit den Schultern. »Das Schicksal. Das Schicksal hat uns vier tote Kinder beschert. Dann wird das Schicksal mir kaum übel nehmen, wenn ich für das eine Kind, das lebt, das Beste will.«
    »Lukas ist das Beste für mich.«
    »Wie kannst du das denn wissen, du bist mit deinen sechzehn Jahren doch noch ein Kind.«
    »Ich weiß es nicht, ich spüre es einfach. Und ich bin kein Kind mehr.«
    Papa betrachtete mich genauer. Ich merkte, wie ich rot wurde. »Das sagst du selbst auch die ganze Zeit«, fuhr ich fort
.
    »Du benimmst dich jedenfalls äußerst kindisch.«
    »Anna, du siehst den Jungen nicht mehr und damit fertig aus«, mischte sich Mama in das Gespräch
.
    »Dafür ist es jetzt viel zu spät.«
    »Was meinst du damit, ›viel zu spät‹? Wie gut kannst du ihn denn kennen?«
    Nur allzu gut, dachte ich
.
    »Wie lange geht das schon?«
    »Zwei Jahre.« Es rutschte mir heraus. Ich biss mir auf meine so besserwisserische Zunge
.
    »Zwei Jahre!« Papas Stimme donnerte durch die Küche. Er sprach fast so laut wie Lukas’ Vater. Warum mussten Väter immer so brüllen?
    Papas Gesicht wurde langsam violett, er öffnete den oberen Hemdknopf, als bekäme er keine Luft mehr, und klopfte mit dem Messer wütend auf den Tisch. Ich sah, wie er das teure Furnier beschädigte, aber ich schwieg. Es würde alles noch schlimmer machen, als es ohnehin schon war
.
    Doch was Papa in diesem Moment sagen wollte, würde ich nie erfahren. Und vielleicht ist das auch gut so. Gerade als er den Mund aufmachte, tat Mama dasselbe. Meine adrette, strenge Mutter übergab sich an Ort und Stelle. Das konnte nur eines bedeuten, wussten Papa und ich sofort. Denn so viel Erfahrung hatten wir inzwischen: Mama war wieder schwanger
.
    Ab jetzt musste sie versorgt, verwöhnt und geschont werden. Damit das Kind in ihrem Schoß spürte, dass es willkommen war. Damit es bleiben würde. Und im Laufe der folgenden Monate sah es immer mehr danach aus, als ob dieses Kind bleiben würde
.
    Je mehr es in Mamas Bauch heranwuchs, desto weniger wurde über Lukas und mich gesprochen. Zu Weihnachten trauten sich Papa und Mama über Namen nachzudenken, während das Baby in Mamas Bauch friedlich im Takt zu »Stille Nacht« strampelte
.
    Ich genoss die Gemütlichkeit und trug den schmalen Silberring, den Lukas mir zu Weihnachten geschenkt hatte. Mama hatte ihn gesehen, aber nichts dazu gesagt
.
    Ende März wurde Juul geboren und er brüllte von der ersten Sekunde an, da er aus Mamas Bauch kam. Als ob er allen zeigen wollte, dass er da war. Endlich
.
    Ich stand im Flur und drückte Lukas’ Hände fast zu Mus, bis ich zu ihm rein durfte. Dieses Brüderchen blieb und alle sollten es wissen. Alle sollten es lieben. Man konnte gar nicht anders. Als sollte es alle Liebe bekommen, die den vorigen Kindern versagt geblieben war
.

»Siehst du, ein Kinderspiel«, strahlte Max. Mit einem kräftigen Ruck zog er eine Holzdiele aus dem Fußboden. Die Splitter flogen Eve um die Ohren.
    »Wo soll das ganze Holz hin?«
    »Erst in den Flur, danach in den Container.«
    Max reichte ihr einen Hammer und ein Paar Handschuhe. »Aber einfach nur rausbrechen wäre auch schon klasse. Wenn du in der Ecke da anfangen könntest?« Er zeigte auf die andere Seite des Zimmers.
    Eve brummelte vor sich hin, während sie sich die Handschuhe anzog. Sie hockte sich auf den Boden und zwängte den Hammer unter eine der Dielen. Als Max es ihr vorgemacht hatte, hatte es so leicht ausgesehen, aber man brauchte ziemlich viel Kraft, merkte sie jetzt.
    Mit ihrem ganzen Gewicht stützte sich Eve auf den Hammer und landete im nächsten Moment mit einem lauten Knall auf dem Hintern. Verdutzt schaute Eve auf den Griff des Hammers, den sie noch in der Hand hielt. Papa fand es gar nicht witzig, wenn sein Werkzeug kaputt gemacht wurde.
    »Was hast du denn jetzt schon wieder angerichtet?«, meckerte Max.
    »Du bist nicht Papa!«, erwiderte Eve gereizt. »Erklär mir eben anständig, wie ich’s machen soll.«
    »Das habe ich. Aber dann musst du es auch so machen.«
    »Hab ich doch. Siehst du das nicht?«
    »Nein.« Max schüttelte den Kopf, während er seinen Hammer unter der Diele ansetzte. »So schwer ist es doch nun auch wieder nicht.« Er hebelte die Diele hoch. »Nimm diesen Hammer, dann leime ich deinen erst. Braucht Papa ja nicht zu erfahren.« Eve kniff ihren Bruder dankbar in den Arm.
    Max hatte das Zimmer kaum verlassen, als Eve plötzlich laut aufschrie. Es klang so

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