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Salzige Küsse

Salzige Küsse

Titel: Salzige Küsse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tine Bergen
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Hause«, murmelte sie schließlich. »Ich brauche ein wenig frische Luft.«
    Mit den Gedanken noch bei den Briefen betrat Eve die funkelnagelneue Küche, in der sie fast über einen Kartoffelsack stolperte. Es roch nach Suppe, was seltsam war, denn Mama hatte in letzter Zeit wenig kulinarische Anwandlungen. Dann sah Eve, dass Frederik und Max am Herd standen.
    »Hallihallo, da ist Eve ja!«
    »Wir kochen heute«, beantwortete Frederik feierlich Eves fragenden Blick. »Selbstverständlich ein mehrgängiges Menü.«
    »Zu wessen Ehren?« Eve fischte sich ein Stück Paprika aus dem Topf, aber Max schlug ihr mit dem Löffel auf die Finger.
    »Zu Ehren von niemandem, einfach nur so …«
    »Ja, das glaube ich sofort, ihr macht alles immer einfach nur so.«
    »Wir können es ihr auch einfach erzählen, Max.«
    »Warum?«
    »Vielleicht kann sie uns helfen.«
    »Der Gartenarchitekt hat heute seine Pläne vorgestellt«, enthüllte Frederik.
    »Und?«
    »Und? Und? Kein Schwimmbad! Dabei haben sie uns das fest versprochen!«
    »Und du meinst, damit bekommen wir ein Schwimmbad?« Eve starrte ungläubig auf das Chaos in der Küche. Der Tisch war übersät mit aufgerissenen Tüten und Verpackungen. Ganz zu schweigen von den Kartoffelschalen, Fettflecken und Käseresten. »Wenn Mama das sieht, kriegt sie einen Anfall!«
    »Ich hab’s doch gesagt, Max, sie kann uns helfen.«
    Eve lachte. Seufzte. Lachte wieder und fing dann an, den Tisch aufzuräumen. »Das mache ich alles nur für das Schwimmbad.«
    »Natürlich«, nickten ihre Brüder.

Es war kein Schrei, der mich zurückholte. Kein Knall, keine Intuition, keine Ohrfeige. Ich suchte ein Taschentuch, erinnerte mich daran, dass ich es Juul gegeben hatte, und fragte mich plötzlich, wo er eigentlich geblieben war. Dann erst fiel es mir auf. Der völlige Mangel an Geräuschen. Keine summenden Bienen, keine zwitschernden Vögel und kein rauschendes Gras
.
    Ich stand auf, fing an zu rufen und rannte umher wie ein aufgescheuchtes Huhn. Ich spürte es, ehe ich ihn fand. Dass es unwiderruflich zu spät war. Ich zerrte ihn aus dem Graben, schrie, schlug ihm ins Gesicht, versuchte verzweifelt meinen Atem in seinen Mund und seine Nase zu blasen
.
    Aber ich sah an seinen Augen, dass er weg war. Für immer. Trotzdem rannte ich mit Juul in den Armen nach Hause. Ich hörte Mie kreischen, Mama kam herbeigerannt und erstarrte
.
    Manche Momente kann man nicht einfangen. Andere Momente will man nicht einfangen und dennoch verfolgen sie einen ein Leben lang. Ich werde Mamas dunkle, rasende Augen niemals vergessen. In schlaflosen Nächten sehe ich sie noch immer glasklar vor mir, als wäre es gestern gewesen
.
    Ich wusste, dass sie uns tauschen wollte. Ich tot und Juul lebendig. Wenn es gegangen wäre, hätte ich es getan. Denn so fühlte ich mich damals. So fühle ich mich noch heute. Mehr tot als lebendig. Aber ich lebe weiter. Schon seit Jahren. Eine schwerere Strafe kann sich kein Richter ausdenken
.

Langsam wrang Eve den Schwamm über dem Eimer aus. Ihre Hände waren vom dreckigen Wasser ganz aufgeweicht. Die Papierstückchen blieben jetzt sogar an ihren Fingerspitzen hängen. Mit einem Seufzer wendete sie sich wieder der Wand zu.
    Es war viel anstrengender, als sie gedacht hatte. Eve hatte gehofft, dass sich die Tapete leicht ablösen ließe. Aber die Wand war mit endlos vielen Schichten bedeckt, da sich niemand je die Mühe gemacht hatte, erst die alte Tapete zu entfernen. Jedes Mal war sie einfach überklebt worden.
    »Warum können wir unsere Tapete nicht auch darüberkleistern?«, stöhnte Eve, während sie sich zum zigsten Mal die Ärmel hochkrempelte. Die Ränder ihres Shirts waren völlig durchnässt und scheuerten ständig über ihre Haut.
    »Weil das viel zu einfach wäre«, keuchte Frederik. Triumphierend riss er ein großes Stück Papier ab. »Yes!«
    Eve schaute mutlos zu der Wand vor ihr.
    »Du darfst nur nicht versuchen alles gleichzeitig runterzuziehen«, erklärte Frederik. »Wenn du es Schicht für Schicht machst, geht es viel schneller.«
    Vorsichtig fuhr Eve mit den Nägeln unter einen Tapetenrand, bis er sich endlich löste. Genauso triumphierend wie Frederik riss sie ihre erste Tapetenbahn von der Wand. Fünf Bahnen später war Eve bei einer fröhlichen gelben Kindertapete angelangt, mit lauter Tieren darauf. »Guck mal, wie niedlich.«
    Frederik schaute kaum richtig hin. »Bist du erst da? Mach ein wenig Dampf, Schwesterchen, sonst kriegen wir dieses Zimmer heute nie

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