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Salzträume 1: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Salzträume 1: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Titel: Salzträume 1: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ju Honisch
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Dieser Mann wollte ihr nichts sagen. Immerhin hatte er sie gewarnt und war gar nicht glücklich darüber gewesen, als sie die beiden anderen Seen erwähnt hatte.
    Also mußten sie dorthin. Da der Ladnergasthof einsam am Ufer lag, brauchten sie wieder einen Ruderer, um nach Gössl und von dort zum nächst höher gelegenen See, dem Toplitzsee, zu gelangen. Sie hatte die Seen auf der Karte gesehen. Der Toplitzsee hatte nur etwa ein Viertel der Größe des Grundlsees, und der noch weiter in den Bergen gelegene Kammersee schien wenig mehr zu sein als ein Weiher. Vermutlich konnte man ihn zu Fuß umkreisen. Um den Toplitzsee zu wandern war unmöglich, denn die Bedienung in der letzten Gaststätte hatte ihnen gesagt, es gäbe keine Pfade ringsherum, denn die Berge wüchsen senkrecht aus dem Wasser empor. Es gab keinen Uferbereich, an dem man entlangpromenieren konnte. Auch dort würde sie wieder Boote und Ruderer mieten müssen. Doch wenn das Gasthaus Ladner wirklich ein Treffpunkt für Fischer und Jäger war, würden sie schon jemanden finden, der sie für entsprechendes Geld überall hin brachte. An Geld mangelte es ihnen nicht. Cérise war reich wie Krösus, Corrisande hatte auch schon vor ihrer Ehe über nicht unerhebliche eigene Mittel verfügt, und aus der stilvollen, stillen Eleganz, die sie an Frau Treynstern gesehen hatte, schloß sie, daß auch diese in begüterten Umständen zu Hause war.
    Geld war also kein Problem. Die Weigerung guter Männer, Damen in die Wildnis zu führen, mochte eher eine Schwierigkeit sein. Marie-Jeannette würden sie im Gasthaus lassen, damit sie auf ihre Sachen achtgeben und auf sie warten konnte. Das Mädchen wußte zu wenig über die Angelegenheit, um eine Hilfe zu sein, und murrte zudem schon seit München. Es beschwerte sich außerdem über Cérises Art, mit ihr umzugehen, und über deren Ankleidegewohnheiten.
    Marie-Jeannette war die begabteste Kammerzofe der Welt. Sie hätte eine Bettlerin in eine Königin verwandeln können, und im Grunde hatte sie auch nur bis zu Corrisandes Vermählung bei ihr bleiben wollen. Danach hatte sie eigene Pläne gehabt.
    Corrisande war nun schon ein halbes Jahr verheiratet, und Marie-Jeannette hatte sie immer noch nicht verlassen. Statt dessen hatte sie eine neue Vereinbarung getroffen. Sie würde in ihrer gutbezahlten Anstellung bleiben, bis sie volljährig war und dann das eleganteste Damenausstattergeschäft Londons eröffnen. Oder auch nicht. Andere Möglichkeiten boten sich dem hübschen Mädchen auch.
    Wenn man das bedachte, so war es nicht erstaunlich, daß Corrisandes Kammerzofe ihre momentane Lage – in einem schwankenden Boot, mitten in der Wildnis und unterwegs zu einem vermutlich wenig mondänen Gasthof – nicht eben genoß. Doch Corrisande hielt sich nicht mit den Leiden ihrer Dienerin auf. Statt dessen versuchte sie etwas neues, das großen Mut forderte. Sorgfältig streifte sie den Lederhandschuh von ihrer Rechten, ließ die Hand über den Bootsrand gleiten und berührte schließlich das Wasser, das ihr solche Furcht einjagte. Es war eisig. Sie schloß die Augen und konzentrierte sich auf das, was sie fühlte.
    Das Wasser erschien ihr lebendig. Jeder einzelne Tropfen, losgelöst vom flüssigen Ganzen, berührte, kostete und testete sie. Stimmen drangen durch ihren Geist wie ein mißtönender Chor.
    Komm, sagten sie. Du bist eine von uns. Komm und sei wie wir! Wir sind das Leben, das über die Erde zieht, die Kinder des Firmaments und die Mutter der Wolken. Wir sind mächtiger als Fels und schneller als ein Wunsch. Wir sind allerorten. Komm!
    Sie fühlte eine unbändige Sehnsucht, ein fast überwältigendes Verlangen, ins Wasser zu springen, um mit ihm eins zu werden, um damit zu verschmelzen, sich zu verlieren und nichts weiter zu sein als einzelne Tropfen. Kind, sagte eine Stimme, die Stimme einer gütigen Mutter, was tust du da? Weißt du, was du tust? Bedenke dein Leben und das in dir.
    Komm, sangen die Stimmen. Mit uns kannst du überallhin, jeden kannst du finden. Wir sind stärker als Feuer, wir sind ewig. Komm, du gehörst zu uns.
    Das Boot schaukelte heftig, und der Schiffer fluchte.
    Sie merkte, daß sie sich weit über den Bootsrand gelehnt hatte. Marie-Jeannette hatte sie zurückgezogen.
    „Geht es dir gut?“ fragte sie. „Es sah aus, als ob du gleich ins Wasser fallen würdest.“
    „Ja, danke“, antwortete Corrisande. „Mir muß schwindlig geworden sein.“
    Es würde ihr nichts anderes übrig bleiben, als das

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