Salzträume 1: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)
Wasser erneut zu berühren, wenn sie sich nicht in einem Boot befand. Wenn es zu ihr sprechen konnte, dann konnte es vielleicht auch ihre Fragen beantworten.
Nur würde sie vorsichtig vorgehen müssen. Sie war zu schwach, um der Versuchung des Wassers zu widerstehen. Sie war ein Mensch, oder doch zumindest so gut wie. Menschen waren wankelmütig. Wenn sie nicht achtgab, würde sie im mächtigen Naß untergehen, sich wie in ihren Träumen in eiskalten Tropfen verlieren.
Sie schauderte und sah sich um. Das Gebäude am Nordufer rückte langsam näher. Es war Zeit, den Einflußbereich des Wassers zu verlassen. Sie freute sich auf eine gute Tasse Kaffee oder Tee. Etwas zu essen wäre auch schön. Sie war ein Mensch, kein Wassertropfen. Sie brauchte Nahrung für sich und ihr Kind. Sie berührte ihren Bauch. Noch hatte sie nicht zugenommen. Alle Kleider paßten ihr noch. Trotzdem hatte Marie-Jeannette aufgehört, sie allzu fest zu schnüren.
Sie fragte sich, wem die andere Stimme gehörte hatte. Sie hatte geklungen wie die ihrer Mutter, dachte sie. Dann revidierte sie das Urteil, denn sie konnte sich an die Stimme ihrer Mutter nicht erinnern, da diese gestorben war, als Corrisande noch sehr klein war.
Jemand hatte sich um sie gesorgt. Frau Treynstern? Vielleicht hatten die Jahre, die sie mit Arpad verbracht hatte, sie ja den einen oder anderen übernatürlichen Trick gelehrt? Sie blickte zum anderen Boot und verwarf den Gedanken. Arpads frühere Geliebte hatte nichts mit der Warnung zu tun.
Sie fragte sich, ob dieses Rätsel sich irgendwann lösen würde. Sie war der Fragen und rätselhaften Warnungen müde, wollte keine weiteren Schattenbilder und Träume. Sie wollte Philip zurück, mehr nicht. Sie wollte seine Arme um sich spüren und die Leidenschaft, mit der er sie liebte, wollte die Hände in sein drahtiges, schwarzes Haar krallen, wollte das Glitzern in seinen gelben Augen sehen, wenn er lächelte, sie liebte, sie eroberte. Sie errötete und hoffte, daß ihre Gedanken sich nicht in ihren Gesichtszügen widerspiegelten.
„Wir sind bald da“, bemerkte Marie-Jeannette freudlos, „und es sieht ganz genauso unelegant aus wie das letzte Gasthaus. Ich will nur klarstellen, daß ich mich weigere, in einem Heustadel zu schlafen. Ich bin keine Hilfsmagd.“
„Vielleicht werden wir alle im Heustadel schlafen müssen“, antwortete Corrisande und drängte Philip und seine stürmische Liebe aus ihren Gedanken.
Marie-Jeannette schnaubte verächtlich und blickte zu Cérise.
„Das glaube ich kaum“, kommentierte sie spitz. „Wer hat schon von einer Göttin im Heuhaufen gehört? Tönerne Füße sind eine Sache, aber Strohhalme in der Frisur würde sie nicht überleben.“
Kapitel 33
Blendung. Eine ausnehmend hinterlistige Maßnahme, um Fluchtversuche zu unterbinden. Der Meister des Arkanen hatte ihnen versichert, es handle ich um einen zeitweiligen Effekt. Bisher allerdings ließ die Erblindung nicht nach.
Delacroix konzentrierte sich auf seinen Gehörsinn. Doch wo immer man sie auch eingesperrt hatte, er konnte von draußen absolut nichts hören. Die Abwesenheit jeden Geräusches ließ weitere Zauberei vermuten. Meister konnten Klang bannen. Die andere Möglichkeit war, daß er sie zur Blindheit auch noch mit Taubheit geschlagen hatte. Blind und taub wären sie so hilflos, wie der Mann sie nur haben wollte.
„Grossauer?“ fragte er ins Dunkel, dachte daran, Udolfs Pseudonym zu benutzen.
„Hier! Obwohl ich es lieber nicht wäre“, murmelte eine müde Stimme.
„Versuchen Sie zu schlafen. Es gibt nichts, was Sie tun könnten. Sollten Sie uns etwas zu essen und zu trinken bringen, gebe ich Ihnen Bescheid.“
„Essen und Trinken. Großer Gott. Was für entzückende Ideen Sie haben. Können Sie etwas sehen?“
„Nein. Es ist vollständig dunkel. Anscheinend sind wir die Gefangenen eines Zaubermeisters.“ Nicht nur das. Sie waren einem Angehörigen der Bruderschaft des Lichts in die Fänge geraten. Unangenehmer konnte es kaum sein. Doch das sagte er nicht, da er argwöhnte, was immer er sagte werde seinen Weg an das arkan geschulte Ohr finden. Meister konnten Unterhaltungen belauschen, die in anderen Räumen stattfanden, und die Bruderschaft hatte das immer schon gerne getan, um mehr über ihre Gefangenen herauszufinden. Nur waren ihre Gefangenen selten Menschen, und die Fey sagten meist gar nichts, schrieen nur, wenn man sie langsam zu Tode quälte.
Also taten sie gut daran, selbst auch schweigsam oder doch
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