Salzträume 1: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)
erholen. Sie wußte nicht, was er getan hatte. Sie hatten gelacht, als sie von einem Angriff, von dem sie nichts ahnte, wieder erwacht war. Ihr Vertrauen hätte ihn beschämen müssen.
Er war hellwach. Die vollständige Finsternis tat ihm gut. Also hatte er sich diesmal nicht neben sie gebettet, nicht, weil er es nicht gewollt hatte, sondern weil er es zu sehr gewollt hatte. Sie würde allein ruhen. Auch ein Wiegenlied wurde diesmal nicht gebraucht. Sie schlief sogleich, ihr regelmäßiger Atem mahnte ihn, dafür zu sorgen, daß es ihr gut ging. So gut wie möglich. Oder daß sie wenigstens am Leben blieb.
Ein Weilchen hatte er neben ihr gesessen, sie beobachtet und darüber gegrübelt, wie es kam, daß er eine solche Verantwortung auf sich geladen hatte. Es war, als hätte er ein Kind. Nun, nicht ganz. Er trank nicht von Kindern und schon gar nicht von eigenen, und wenn er ihren jugendlich frischen Körper betrachtete, zusah, wie sich ihre Brüste beim Atmen hoben und senkten, wußte er, daß sie kein Kind mehr war.
Normalerweise versuchte er, sich nicht allzu sehr zu engagieren. Abstand machte das Leben leichter. Er war sich seiner eigenen Gefährlichkeit bewußt. Wenn er Menschen allzu nahe an sich heran ließ, gefährdete er die, die ihm teuer waren, und mußte dann mit dem Verlust leben. Es mußte sich lohnen, ein solches Risiko einzugehen.
Das hieß nicht, daß er nicht lieben oder keine tiefen Gefühle haben konnte. Er liebte Cérise mit ganzem Herzen, Sinn und Körpereinsatz. Doch er war wachsam, besuchte sie nur, wenn er sich genährt hatte. Cérise war allerdings eine Ausnahme, so wie die wenigen besonderen Menschen, die er vor ihr geliebt hatte. Wenige waren es gewesen im Vergleich zu den Horden von Menschenwesen, anmutigen Frauen, verlockenden Männern, deren Blut er getrunken und deren Körper er besessen hatte, Jahrhundert für Jahrhundert, in der Befriedigung seiner Gier und seiner Lust. Ganz zu schweigen von den Tausenden, die er getötet hatte, weil sie seinem Hunger zum Opfer gefallen waren.
Auch Freunde hatte er gehabt. Doch gute Freunde waren selten, so selten wie wahre Liebe. Charly sah er als Freundin. Er mochte ihre aufrichtige Art, ihr offenes Wesen und die Wärme ihrer Gefühle. In ihr wohnte kein Arg, sie spielte keine Tricks, sie ließ sich nicht zu dem machen, was die männliche Meinung in einer allzu strengen Gesellschaft sich als künstliches Ideal geschaffen hatte. Sie war ehrlich und freimütig, unschuldig in weitaus mehr als nur einem Sinn, ein Mädchen, das gegen Asko gerne Schach gespielt hätte, weil es genau das als eine besondere Herausforderung empfand. Ein Mädchen, mit dem er selbst gern weit mehr als nur Schach gespielt hätte. Vielleicht würde er das noch. Der Schock, den sie erlitten hatte, saß tief, doch sie würde eine fabelhafte Liebhaberin sein, das wußte er. Sie war wißbegierig und tapfer, und seine reiche Erfahrung sagte ihm, daß sie nicht scheu kichern oder zimperlich sein würde. Sie würde lieben lernen mit dem gleichen wißbegierigen Geist, mit dem sie die ganze Welt erlernen wollte. Wie sie Schach spielte, so würde sie auch lieben, sich mit Hingabe der Herausforderung stellen.
Er mußte aufhören, daran zu denken. Die Erinnerung an ihre zarte Haut an seinen Lippen verfolgte und quälte ihn. Seine Zunge hatte ihr Bein erkundet, und er hatte das mehr als nur gemocht. Doch ihre Bewußtlosigkeit war keine Einladung. Er mochte willige Partner. Er liebte es, die Freude zu sehen und zu spüren, die er selbst bereitete, das Gefühl, wenn ein Wesen in seinen Händen lebendig wurde, wenn das Verlangen der oder des Erwählten mit seinem eigenen wuchs, Zurückhaltung sich in wilde Hemmungslosigkeit verwandelte, in absolute Hingabe. Der Mann, der Charly angegriffen hatte, hatte ihr dies genommen.
Arpad stand auf und ging von ihr fort, inspizierte die verschiedenen Möglichkeiten weiterzukommen. Vielleicht konnte er ihr etwas Mühe und Anstrengung ersparen, wenn er herausfand, in welche Richtung sie jetzt am besten gingen. Sie schlief fest und würde für einige Zeit nicht aufwachen, und in ihrer Nähe gab es keine wirklichen Gefahren. Er hatte ihr versichert, daß sie auf keine Bestien oder Berggeister treffen würden.
Er hatte gelogen. Was eine Bestie war, war Definitionssache; die meisten Menschen klassifizierten ihn als solche, und es gab viel Leben in diesen Bergen, doch sie konnte es weder sehen noch fühlen. Sie hatten mehrere Quellen gefunden, schäumende
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