Salzträume 1: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)
sah besorgt aus. Ihre Lippen bewegten sich lautlos, süße, volle Lippen. Vielleicht betete sie, ganz allein in der Dunkelheit. Er beobachtete sie, musterte ihren Körper, kreuzte ihren blinden Blick, roch ihre Angst. Sie saß und wartete, eine andere Wahl hatte sie nicht. Wenn er jetzt kehrtmachte und ging, würde sie hier für immer sitzen und warten. Oder er konnte sie überwältigen, ehe sie noch wußte, wie ihr geschah. Er konnte ihr Blut trinken, bis sie keinen Tropfen mehr hatte und dann weitergehen, gesättigt. Er konnte ihr mit einem einzigen Prankenhieb die Kleider vom Leib reißen. Er konnte sie überwältigen und genießen.
Sie summte vor sich hin, summte das Wiegenlied, das er ihr in der letzten Nacht gesungen hatte. Sie hatte eine weiche Altstimme, zart und wohltönend, doch unspektakulär und ungeschult. Er stimmte mit ein.
„Dunkelheit hält uns umschlungen;
Lieder werden sanft gesungen,
Sphären sind von Klang durchdrungen
In stiller Nacht.“
Ihre Miene wandelte sich von Sorge in Glücksgefühl und Erleichterung. Er merkte, daß er lächelte, obgleich sie es nicht sehen konnte.
„Du bist wieder da“, sagte sie und streckte ihm die Hände entgegen, dorthin, wo sie ihn vermutete.
„Natürlich“, antwortete er, griff nach den Händen und drückte sie. Dann setzte er sich. „Du hast hoffentlich nicht an mir gezweifelt?“
Sie wurde rot, heißes Blut färbte ihren Teint unter blasser Haut und gab ihm eine frische, begehrenswerte Farbe.
„Nicht richtig. Ich hatte nur etwas Angst. Die Zeit vergeht so schrecklich langsam, wenn man gar nichts sieht. Jeder Augenblick dehnt sich ins Unendliche.“
Ihr Herz schlug gleichförmig. Es war Zeit, sich zu nähren. Die Halsschlagader trommelte eine Einladung. Sie hatte einen so schönen Hals, und war ganz in seiner Macht. Die Macht einer Mücke, die auf Blut aus war in einer Sommernacht.
„Gib mir deine Hand!“
Sie verstand sofort, hielt ihm mit dem Puls nach oben die Hand entgegen. Er ergriff die Hand, sie in seinen.
„Vertraust du mir?“
„Mit ganzem Herzen.“
Mit dem gleichen Herzen, das wie ein allzu volltönendes Instrument das Trommelsolo in einem danse macabre anstimmte.
„Eventuell solltest du das nicht.“
Er küßte ihr Handgelenk, spürte seine lustvolle Vorfreude ins Unermeßliche steigen. Seine Lippen reisten über ihre Haut zur Handfläche, seine Zähne glitten daran entlang ohne sie zu verletzen, voller Vorfreude, ein Vorspiel, in die Länge gezogen, um genau den richtigen Moment abzuwarten, wenn keine Steigerung der Vorfreude mehr möglich war.
„Ich bin am Leben, weil du bei mir bist, Arpad“, sagte sie, und ihre Stimme klang angespannt und zaudernd.
Seine Zunge kostete die Haut über ihrem Puls, bereitete sie vor. Sie war sein. Sein Fang, sein Opfer, seine Eroberung. Er hielt den Schmerz in ihrem Geist auf und biß zu. Ihr Stöhnen klang neu und anders, seine empfindlichen Ohren erfaßten den Unterschied. Sie war ängstlich. Doch sie war nicht abgeneigt.
Ihr Blut schmeckte wundervoll. Er zwang sich, langsam zu trinken, obwohl ihm mehr danach war, mit aller Kraft den Lebenssaft in sich zu saugen, um seinen großen Hunger, seine ihn beherrschende Lust zu stillen. Bedächtig. Wenn er es bedächtig tat, würde es leichter sein aufzuhören. Es mußte doch etwas geben, womit seine immense Gier in den Griff bekommen konnte, das ihm half, sich selbst zu überwinden. Sie war so wundervoll, salzig von der Luft und von ihrem eigenen Schweiß. Ihre Haut schmeckte wie nach einem Liebesakt.
Er genoß jeden Schluck Leben. Aus dem Augenwinkel heraus beobachtete er sie, während er trank, und begann, mit sich zu ringen, als eine plötzliche Blässe über ihr Gesicht ging und sie sich schwer gegen den Fels lehnte. Er heilte ihre Blessuren. Zu viel. Er hatte zu viel genommen.
Er nahm sie sanft in die Arme. Sie wehrte sich nicht, schob ihn nicht fort, ließ sich kraftlos umfassen.
„Es ist vorbei. Keine Angst.“
Sie lehnte den Kopf an seine Schulter. Ihr Atem ging flach. Verdammt! Warum konnte er sich nicht beherrschen?
„Ich habe keine Angst. Mir wird es gewiß gleich besser gehen. Gib mir nur etwas Zeit.“
„Alle Zeit, die du haben willst.“ Er strich ihr übers Haar. Alle Zeit, die sie noch hatte, ehe er irgendwann viel zu weit gehen würde. „Hast du gut geschlafen?“
Er erlaubte ihr nicht, sich in eine Bewußtlosigkeit zu flüchten. Es war wichtig, sie wachzuhalten, sie reden zu lassen.
„Ja. Ich war so
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