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Salzträume 1: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Salzträume 1: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Titel: Salzträume 1: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ju Honisch
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verschwinden und ihn der Gewalt der Fluten überlassen. Die Hände hielt er nach vorn ausgestreckt. Nach einem vorsichtigen Schritt berührten seine Finger Wasser. Der Ansturm des eisigen Nasses schlug seine Hände nach unten und zeigte ihm die Vehemenz, mit der es außerhalb des Tunnels abwärts stürzte. Die Erdanziehung war das einzige Gesetz, dem Wasser gehorchte.
    Er fragte sich, woher dieser Gedanke kam. Er sah ihm nicht ähnlich. Er tastete seitlich nach der Öffnung im Fels. Ein schmaler Spalt, schmaler, als er gedacht hatte. Wieder tat er einen winzigen Schritt nach vorn, schob sich Zoll um Zoll weiter, bis er das prasselnde Wasser auf seinen Schuhspitzen spürte.
    Noch ein Schritt. Seine Schultern berührten die Felsen zu beiden Seiten des Spaltes. Den Kopf hielt er zurückgewandt, um ihn nicht dem Trommelfeuer der brausenden Fluten auszusetzen. Eiskalter Nebel sprühte ihn ein, durchweichte seine Kleidung und das Pulver in seiner Waffe und machte alles naß und rutschig.
    Er mußte sich seitlich wenden. In voller Breite paßte er nicht durch den Zwischenraum. Er stellt die Laterne ab, verfluchte sich, daß er sie nicht angezündet hatte. Er hätte es tun sollen. In seiner Besorgnis, nicht entdeckt zu werden, hatte er das Ding dunkel bis hier her geschleppt. Nun war alles naß.
    Er fuhr mit den Händen an der Lücke entlang. Über ihm schien der Durchlaß etwas weiter zu sein, und so tastete er mit dem Fuß nach einem Halt, um höher zu steigen. Der Fels war glatt, und er konnte keinen Vorsprung ertasten, der ihn halten würde, wenn er weiterkletterte.
    Ihm kam der Gedanke, daß er keine Indizien für seine Flucht zurücklassen sollte, also hob er die Laterne wieder auf. Es kostete ihn Überwindung, sie fortzuwerfen, denn das hieß, daß es kein Zurück mehr gab. Er brach alle Brücken hinter sich ab. Kaum hielt er sie ins Wasser, entriß es sie ihm auch schon.
    Das war‘s. Er mußte jetzt springen oder die Sache lassen. Wenn er aufgab, würde der Meister ihn zum Reden bringen, und er würde alles verraten, Asko, Delacroix, dessen Frau, McMullen, ihre Ziele, ihre Kontakte.
    Überleben würde er trotzdem nicht. Also lieber ehrenvoll abtreten.
    „Wirf dein Herz über die Hürde, Udolf“, murmelte er sich selbst zu, „der Rest kommt dann schon nach.“
    Er wickelte seinen gestohlenen Janker fest um sich, versuchte, sich an ein passendes Gebet oder wenigstens einen passenden Heiligen für die Fürbitte zu entsinnen.
    „Heilige Barbara, die du denen im Dunkel der Berge hilfst … das ist jetzt dein Stichwort.“
    Er sprang.

Kapitel 45
    Ian summte ein Lied. Er kannte die Weise nicht, die andere Hälfte seines Sinns schon. Doch jene Hälfte konnte nicht singen. So war es eine neue Erfahrung für sie beide. Die Melodie hallte von den Wänden wider, verband sich mit dem Tropfen des Wassers und dem Gurgeln der Rinnsale. Nach einem Weilchen hörte er auf zu singen und versuchte, sich zu konzentrieren. Es war schwierig. Sie hatten nur einen Verstand, und sie wollten selten das Gleiche.
    „Du wirst mich nicht bekommen, weißt du“, sagte er in die Einsamkeit.
    „Ich habe dich schon“, antwortete seine eigene Stimme. „Von dir ist nicht viel übrig, und wehren kannst du dich nicht. Nicht einmal überleben kannst du ohne mich.“
    Ein trockenes Gegacker ertönte aus Ians Mund und wandelte sich in ein gezwungenes Kichern.
    „Du ohne mich auch nicht. Glaub ja nicht, ich wüßte das nicht.“
    Er begann wieder zu singen. Diesmal kannte er das Lied, und dafür war er dankbar. Er würde nicht aufgeben. Er war Schotte und stolz darauf. Er würde sich nicht beugen.
    Einen Monat lang hatte er nichts gegessen. Es war nicht nötig gewesen. Das Salz, die Luft und das Lied des Wassers hatten ihn am Leben erhalten. Nur Menschen brauchten geregelte Mahlzeiten.
    „Ich bin ein Mensch!“ fuhr er auf und unterbrach sein Lied.
    „Du bist tot“, entgegnete er. Ein Alptraum liebkoste seinen Sinn und zog sich dann frustriert zurück.
    „Nein. Ich könnte tot sein; ohne dich wäre ich es, aber ich lebe. Tot nütze ich dir nichts. Sie werden mich finden. Meine Eltern werden jemanden schicken, möglicherweise sogar Onkel Aengus.“
    „Niemand ist gekommen, und es kommt auch keiner. Nimm dein Schicksal an! Es ist doch nicht schlecht. Du kannst immer noch mit deinesgleichen reden. Wie vorhin.“
    „Meinesgleichen, eben. Ich bin ein Mensch. Menschen sind wie ich. Wer war das Mädchen?“
    „Es geht durch den Berg. Sein Herz ist

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