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Salzträume 1: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Salzträume 1: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Titel: Salzträume 1: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ju Honisch
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Gewißheit gewesen war, verschwamm, und schon konnte sie sich nicht mehr an sein Antlitz erinnern. Er hat gelbliche Augen, flehte sie, gelb wie heller Bernstein. Sie funkeln, wenn er lacht. Ich trage sein Kind in mir.
    Das Wasser gluckste. Du wirst das alles vergessen, sagte es. Du hast es schon beinahe vergessen. Menschliches Leben ist bedeutungslos, eine vorübergehende Randerscheinung. Vergiß deine Hemmnisse, lege die menschliche Bedeutungslosigkeit ab. Ein Menschenleben ist kurz und vergeblich, voller Verzweiflung und Gewalt, und endet immer mit dem Tod. Menschen sind nur Staub. Warum willst du Staub sein? Warum willst du, daß dein Kind nichts ist als Staub?
    Sie war nun sehr durcheinander, fühlte, wie ihre Gedanken sich auflösten, davonschwammen, sie alleine ließen ohne Identität. Panik stieg in ihr auf; sie wußte nicht weshalb. Eine ganze Zeit saß sie nur bewegungslos da. Eine fremdartige Ruhe schien zum Greifen nah, wenn sie nur losließ.
    Doch sie ließ nicht los, sie kämpfte, wehrte sich. Noch wußte sie seinen Namen.
    Philip, schrie sie, und ihr Schrei gellte laut durch das Wasser. Philip! Sie erhielt keine Antwort.
    Du magst also gelbe Augen, sagte eine neue Stimme, eine Solostimme, ein Klang, der zu mehr gehörte als nur zu einem Bewußtsein der Fluten. Ein junger Mann blickte sie an, schlank, blaß, spitzohrig, auf Feyonart betörend. Sein Lachen war süß und einladend, seine Zähne sahen scharf aus. Er erinnerte sie an … jemanden. Sie wußte nicht mehr, an wen, und ahnte doch, daß sie das nicht vergessen sollte. Es gab etwas, das zu bedenken war, das mit diesem Geschöpf zu tun hatte, etwas Wichtiges, etwas, das man keinesfalls je vergessen durfte.
    Sie blickte in seine schönen Augen und versuchte, das flüchtige Wissen, das am Rande ihres ertrinkenden Geistes schwebte, festzuhalten. Er sah ungemein gut aus. Jeder Teil seiner Physis sprach ihr Herz an. Sein hüllenloser Leib war eindrucksvoll, athletisch und stark. Seine Männlichkeit war ansehnlich, sein Lachen hoffnungsvoll, seine Haut zum Teil mit grünsilbernen Schuppen bedeckt. Wie es eben sein sollte. Er hatte gelbe Augen.
    Phi… im Moment konnte sie sich nicht mehr an den Namen erinnern. Dann erkämpfte ihr Gedächtnis ihn sich zurück, hielt ihn einen Atemzug lang fest, und sie sank auf die Knie. Philip, flehte sie, hilf mir. Bitte!
    Aber nein, sagte er, kniete sich ihr gegenüber hin, streckte die schwimmhäutigen Finger nach ihr aus. Die Schuppen waren nicht echt, nur ein Muster auf seiner Haut. Es sah so schön aus.
    Ich bin besser als Philip, sagte er und schenkte ihr ein Lächeln wie starker Wein. Er berührte ihre Schulter. Sie lächelte ihn durch ihre Tränen hindurch an, die durchs Wasser davonflossen.
    Dann strich er ihr durchs im Wasser treibende Haar, koste ihre Lippen, fuhr an ihren Ohren entlang. Seine Beine umfaßten sie und zogen sie näher.
    Ich werde dir meinen Namen schenken, damit du seinen vergißt. Ich bin Iascyn – behalte das. Ich werde dir meine Liebe schenken, dann brauchst du seine nicht mehr. Ich werde gut zu dir sein, mein Nereidenmädchen. Hör nicht auf das Wasser. Du würdest dich darin verirren. Ich werde dir helfen, dich dagegen zu wehren, damit du deinen Sinn, deine Seele und dein Sein nicht verlierst. Doch du mußt mir gehören. Dies ist mein Reich. Ist es nicht wundervoll?
    Die Farben wirbelten in immer neuen Blau- und Grüntönen um sie herum. Sternenlicht von oben stach herunter ins Naß. All das war schöner als alles, was sie je gesehen hatte. Sie besah sich lange die Myriaden lebender Farben. Er drängte sie nicht, doch sie wußte, daß sie ihm eine Antwort schuldete.
    Ich kann dir nicht gehören, sagte sie. Ich liebe … doch der Name war ihr entglitten, so wie zuvor schon das Gesicht, und sie begann entsetzt, sich zu wehren, zu schreien und zu toben. Er fing sie in ihrer fliegenden Bewegung und ließ den Schwung zum Tanz werden. Wie in einem Walzer wirbelten sie durch die perlenden Fluten, als hätten sie die Schwerkraft ihrer Macht beraubt. Sie hörte auf zu schreien, zu jammern und zu trauern. Es gab keinen Grund dafür. Sie jagten durch die Wellen, immer weiter tanzten sie, spielten, tollten herum wie übermütige Halbwüchsige.
    Sie gab sich einem anheimelnden Schwindelgefühl hin, hörte Musik, die sie nicht klar erkennen konnte. Von weit her schien sie zu kommen, wie Walzer auf einem Ball, den man gerade verließ.
    Ihr Sinn wiederholte „Walzer“, denn sie kannte das Wort nicht.

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