Salzträume 1: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)
ist jetzt nebensächlich. Ich bin kein König, und ich will verdammt sein, wenn ich jemanden an meinen Schnurrbart ...“
„Bitte achten Sie auf Ihre Ausdrucksweise, Herr Leutnant“, tadelte Frau Treynstern ein wenig steif, „ganz besonders in Gegenwart Ihrer jungen Gattin.“
„War sie schön?“ fragte Marie-Jeannette, während sie das Haar an seinen Schläfen mit einer scharf riechenden Flüssigkeit betupfte.
„Ja. Ich habe ihr Portrait in der Schönheitsgalerie gesehen. Wunderschön war sie, dunkle Haare, tiefblaue Augen. Doch was hat das damit zu tun ... was tun Sie da? Ich möchte, daß Sie sofort damit ...“
„Lebten sie glücklich bis ans Ende aller Tage?“
„Du lieber Himmel, nein. Was aus der Dame wurde, weiß ich nicht, aber unser Ex-Souverän lebt im selbstgewählten Exil in Südfrankreich.“
„Er hätte sie heiraten sollen. Das hätte er tun müssen!“ Marie-Jeannette schmierte ihm Rasierschaum ins Gesicht. „Nicht bewegen. Ich habe keine Übung darin, Herren zu rasieren.“
Sie hielt ihm das Rasiermesser direkt vor die Augen, und er fing ihr Handgelenk, bevor sie ihm damit ins Gesicht fuhr.
„Das tue ich lieber selbst, Mädchen!“
„Gut!“ lobte Frau Treynstern und sah ihm zu, wie er sich vor dem Rasierspiegel positionierte.
„Warum hat er sie nicht geehelicht?“ fragte Marie-Jeannette. „Wenn sie ihn doch sowieso schon das Königreich gekostet hat, dann hätte er sie doch wenigstens ehelichen können. Was für Sinn ergibt es, auf ein Reich zu verzichten und dann nicht die Liebe seines Lebens zu ehelichen?“
„Zum einen war er verheiratet, und zum anderen war sie ganz gewiß keine Frau zum Heiraten“, gab von Görenczy zurück und ging vorsichtig in seinem Gesicht zu Werke.
„Richtig“, nickte Frau Treynstern. „Sie müssen immer daran denken, daß es Frauen gibt, bei denen den Herren der Schöpfung der Gedanke an Ehe gar nicht erst kommt. Herren unterscheiden grundsätzlich zwischen den jungen Damen guter Abstammung, die sie vor den Altar führen und den anderen, bei denen ihnen dieser Gedanke abwegig erscheint. Das wissen Sie, nicht, Kind?“ Ihre Stimme klang allzu nachdrücklich, und Udolf wandte sich ärgerlich um, da er die Erläuterung auf sich bezog.
„Ich muß doch sehr bitten ...“
„Geben Sie mit dem Rasiermesser acht, von Görenczy!“
„Welchem Rasiermesser? Guter Gott! Jetzt sehen Sie sich an, wozu Sie mich mit dem Gerede gebracht haben. Ich wollte mir den Schnurrbart doch gar nicht abrasieren!“
„Das haben Sie auch nicht, mein Lieber“, gurrte das Mädchen. „Überm Mundwinkel stehen noch ein paar Borsten. Wenn Sie mir erlauben ...“
„Bestimmt nicht! Was haben Sie denn mit meinem Haar gemacht? Ich sehe ganz ergraut und alt aus!“
„Das wächst wieder heraus. Keine Sorge, und es ist auch nicht grau. Es ist eigentlich sehr hellblond. Ich war sicher, daß ich von diesem Wässerchen etwas in Mlle. Denglots Necessaire finden würde – und ich hatte Recht, Herr Leutnant!“ Sie klang ausnehmend zufrieden.
„Nennen Sie mich nicht Herr Leutnant!“
„Wie soll ich Sie denn nennen?“
„Was weiß ich? Martin vielleicht.“
„Sehr gut“, lobte Frau Treynstern. „Martin Krieger und Gattin. Das klingt unauffällig.“
„Es klingt häßlich“, jammerte Marie-Jeannette. „Wenn ich schon als seine Ehefrau reisen soll, dann will ich einen hübscheren Namen, und er sollte wenigstens ein ‚von‘ haben, oder ein ‚Graf‘? ‚Herzog‘? ‚Fürst‘?“
„Übertreiben Sie es nicht“, grinste Udolf, „meine süße Christine. Die mich geehelicht hat, obwohl ich kein Herzog bin. Wahre Liebe!“
„Ja“, gab Marie-Jeannette zurück, und aus ihrem Schmollen erwuchsen Grübchen, als sie schließlich kicherte. „Meine Eltern waren der Meinung, Sie wären nicht gut genug für mich. Aber ich habe mich durchgesetzt. Als man uns grausam auseinanderreißen wollte, fiel ich in tiefe Melancholie, und die Ärzte fürchteten um meinen Verstand. Also durfte ich zu guter Letzt doch den niederen Herrn Krieger heiraten, denn sie wollten mein junges Blut nicht an ihren Händen kleben haben.“
Sowohl Udolf als auch Frau Treynstern starrten das Mädchen bewundernd und überrascht an.
„Da soll mich doch gleich der Teu…“ murmelte Leutnant von Görenczy.
Marie-Jeannette fuhr erbarmungslos fort: „Jetzt allerdings finde ich heraus, daß sie wohl doch recht hatten, denn ich reise mit einem Ehemann, der nicht auf seine Redeweise achtet, ganz
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