Salzträume 1: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)
besonders in Gegenwart seiner jungen Gattin, und ich werde wohl wieder in tiefe Melancholie verfallen müssen und vermutlich an gebrochenem Herzen sterben. Übrigens, was ist aus Lola geworden?“
„Was?“ fragte Udolf irritiert.
„Sie ist in tiefe Melancholie verfallen und an gebrochenem Herzen gestorben“, erwiderte Sophie.
„Ist sie nicht!“ begehrte Marie-Jeannette auf.
„Doch“, bekräftigte die ältere Dame. „Sie emigrierte nach Amerika und starb vor wenigen Jahren in größter Mittellosigkeit. Von seinem Gesicht zu leben, glückt immer nur kurze Zeit, Kind. Auch gibt es nicht viele Monarchen, die die Freuden eines Königreichs für ein Abenteuer mit einer schönen Frau aufgeben, und glauben Sie mir, sie war ganz ungewöhnlich schön. Lola Montez war ihr Pseudonym. Sie hieß in Wirklichkeit Maria Dolores Gilbert und war die Tochter eines britischen Offiziers. Als ihre noble Eroberung abdanken mußte, verlor sie ihren frisch erworbenen Gräfinnentitel und mußte ins Exil.“
„Wie schlimm!“ sagte Marie-Jeannette, „und wie schrecklich unfair!“
„Das Leben ist nie fair zu Frauen, die außerhalb des Comme il faut leben, mein Kind. Ich rate Ihnen beiden, das im Gedächtnis zu behalten.“
Sie wandte sich Udolf zu, der sich aus keinem ermeßbaren Grund auf einmal etwas nervös und schuldig fühlte. Er war neugierig. Wer war diese Frau, die der Scheitelpunkt braver Anständigkeit zu sein schien und doch erstaunlich viel über die skandalöseste Tänzerin ihrer Epoche wußte? Sie war vielschichtiger, als er ergründen konnte, und er hätte gerne ein Sümmchen locker gemacht, um mehr über sie zu erfahren. Nur hatte er im Augenblick kein Sümmchen. In den letzten Wochen war ihm das Glück im Spiel nicht hold gewesen.
„Halten Sie sich ein wenig gebeugt, Leutnant, Sie stehen immer noch da wie ein Offizier.“ Die Matrone betrachtete ihn kritisch. „Gut. Sie sehen wirklich äußerst verändert aus. Reichen Sie Ihrer Ehefrau mal den Arm. So. Sehr fein. Ein herrliches Paar. Die Sonne geht gleich auf, Sie sollten los. Ich werde die Wirtsleute ablenken, während Sie sich ein Boot leihen. Gott segne Sie. Seien Sie vorsichtig, und bleiben Sie anständig!“
„Natürlich, gnädige Frau!“ versicherte Udolf, und der schöne Traum neben ihm knickste und schenkte ihm einen verliebten Blick.
„Wir verlassen uns darauf, daß Sie Hilfe bringen, Herr Grossauer oder Herr Krieger – oder wie auch immer. Das wissen Sie, hoffe ich?“
„Ich werde tun, was in meinen Kräften steht. Doch ich bin nicht derjenige, der mein weiteres Vorgehen entscheidet. Das ist Ihnen klar, hoffe ich? Aber ich komme auf alle Fälle zurück und bringe Ihnen Marie-Jeannette wohlbehalten wieder.“
Die Kammerzofe strahlte vor Aufregung.
„Wir werden ein Abenteuer erleben!“ rief sie aus.
„Besser nicht“, gab Sophie zurück. „Ich werde dankbar und zufrieden sein, wenn Ihre Reise ganz und gar ohne Abenteuer auskommt.“
Kapitel 55
In Höhlen war es kalt. Es war um so kälter, wenn man bis auf die Haut durchnäßt war. Delacroix fror.
Durch den Felsspalt über ihnen drang ein dünner Streifen schwachen Lichts wie ein spöttischer Gruß aus unerreichbarer Freiheit. So nah und doch so fern. Sie saßen fest.
Die Höhle war geneigt. Am unteren Ende öffnete sich ein Abgrund, schwarz und zugig. Er gaukelte einen Fluchtweg vor. Sie hatten diesen Weg nicht genommen, da sie nicht auskundschaften konnten, wie tief der Schacht war und ob man sich beim Abstieg nicht alle Knochen brechen würde.
Delacroix mißfielen die Aussichten. Er mochte die Situation nicht, und bis auf die Knochen durchgefroren zu sein half auch nicht.
„Jetzt ziehen Sie schon die nassen Sachen aus! Sie werden noch eine Lungenentzündung bekommen, wenn Sie weiter darin rumlaufen, und apropos laufen. Hören Sie auf, hier auf und ab zu rennen. Ich habe Angst, Sie fallen mir in das Loch.“
„McMullen, mir wird nicht wärmer sein, wenn ich mich … entblöße, und ich will verdammt sein, wenn ich zulasse, daß mich unsere Feinde mit heruntergelassenen Hosen erwischen. Dem Tod kann ich ins Auge sehen, aber an meiner Ehre hänge ich.“
„Dann setzen Sie sich wenigstens hin. Sie machen mich ganz nervös, und ich muß mich konzentrieren.“
„Ich bin schon nervös, McMullen. Sie haben sie nicht schreien gehört, sonst wären Sie es auch. Meine Ehefrau ist in Gefahr, und ich bin nicht für sie da.“
„Genau. Sie können nichts tun, Delacroix, und Sie
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