Salzträume 1: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)
erwiderte nichts darauf, aus Angst, erneut die Fassung zu verlieren. Sie kroch ins Bett und zog die Decke bis zum Kinn hoch. Dann drehte sie sich zur Wand und versuchte – wie bereits im Wasser –, das Gesicht ihres Mannes vor ihrem geistigen Auge erstehen zu lassen. Diesmal gelang es ihr. Sie sah ihn im Dunkeln sitzen. Sein Antlitz war felsenhart.
„Ich liebe dich!“ wisperte sie stimmlos.
Seine gelben Augen schienen einen Moment in ihre zu blicken und gehörten dann plötzlich einem anderen.
Kapitel 54
Von Görenczy packte. Ganz ohne Gepäck zu reisen mochte allzu auffällig sein. Er hatte sich ein Schläfchen gegönnt, denn die Müdigkeit setzte ihm sehr zu. Lange hatte er nicht geschlafen, vielleicht nur ein, zwei Stunden, dann hatte er sich gezwungen, wieder aufzustehen. Es klopfte an der Tür.
„Herein“, rief er, die Tür wurde geöffnet und die energische Matrone, die ihn herumkommandiert hatte wie ein Feldmarschall, betrat sein Zimmer, im Schlepptau seine eben hinzugewonnene Ehefrau. Seine Augen schweiften unwillkürlich ab zu dem Traum in grüner Seide, und er merkte erst nach ein paar Sekunden, daß sein Mund offen hing.
Die tiefroten Locken der jungen Schönheit waren zu einer modischen Frisur aufgetürmt, ihr Gesicht strahlte vor Aufregung, ihre grünen Augen funkelten, und auf ihren entzückenden Lippen lag ein enthusiastisches Lächeln. Das Kleid mit den cremefarbenen Spitzenapplikationen sah aus, als wäre es speziell für sie angefertigt worden, und er grinste, wenn er daran dachte, daß dies Cérise auch aufgefallen sein dürfte. Vermutlich schäumte sie vor Wut. Das Mädchen trug ein kleines, elegantes Lederköfferchen, das es auf seinem Tisch abstellte.
„Bitte nehmen Sie Platz, Herr Leutnant“, befahl die Matrone. „Wir sind gekommen, um Ihr Aussehen zu verändern. Ich fürchte, Ihr langes Haar wird weichen müssen. Ihr Oberlippenbart auch.“
Udolf, der dem ersten Befehl Folge geleistet und sich gesetzt hatte, wäre beinahe wieder aufgesprungen, doch zwei kleine, bemerkenswert kräftige Hände drückten ihn an den Schultern nieder und hielten ihn auf dem Stuhl. Marie-Jeannette stand hinter ihm und hatte die Führung übernommen.
„Meine Damen, wirklich, ich sehe nicht ein ...“
Ein Kamm ging durch sein Haar, und ihm wurde klar, daß er noch nie von einer Frau gestriegelt worden war. Die Hände, die über seinen Kopf glitten, waren fast liebkosend in ihrer Sanftheit.
„Bitte entspannen Sie sich, mein lieber Gatte!“ säuselte die Besitzerin der zarten Hände, und schon hörte er das Schnippschnapp einer Schere. Ein beängstigend dicker Wust an Haaren fiel zu Boden.
„Hören Sie! Sie können doch nicht ...“
Wieder wurde er unterbrochen, diesmal von Frau Treynstern, die ihn streng ansah und sagte: „Sie brauchen unbedingt eine gute Tarnung. Auch eine Hintergrundgeschichte, etwas, an das Sie sich beide halten können, und einen Namen. Etwas, das Ihnen gleich einfällt, wenn man Sie fragt. Ein leichter Name. Wie wäre es mit Krieger? Das wäre doch passend. Marie-Jeannette hat mich informiert, daß sie für diese Reise gerne Lola heißen möchte, aber wenn man an die noch nicht so lange in der Vergangenheit liegenden Ereignisse in Ihrem eigenen Land denkt, ist dieser Name unpassend. Christine ist ein hübscher Name. Sie können sie Christine nennen.“
„Hören Sie. Ich weiß Ihre Sorge und Unterstützung wirklich zu schätzen, aber bitte seien Sie versichert, daß ich nicht zum ersten Mal auf einer geheimen Mission bin. Ich weiß ganz genau, was ...“
„Halten Sie still, mein Liebling“, schnurrte Marie-Jeannettes Stimme direkt hinter seinem Kopf, „sonst mache ich noch einen Fehler, und Sie haben eine Glatze. Ich will keinen Ehemann mit Glatze.“
„Mein liebes Mädchen ...“
„Lola“, berichtigte das Mädchen.
„Christine“, berichtigte Sophie.
„Wieso kann ich nicht Lola heißen!“ Das Schmollen war dem Ausruf anzuhören.
„Weil es nicht die Art Name ist, den anständige junge Damen tragen, mein Kind.“
„Aber er klingt viel romantischer!“
„Gut möglich. Aber denken Sie daran, daß dieser Name vor kurzem einen König sein Königreich gekostet hat.“
„Wirklich? Welchen?“
„Ludwig I., König von Bayern. Er mußte wegen der Angelegenheit abdanken, vor siebzehn Jahren.“ Leutnant von Görenczy merkte daß er sich in das Gespräch hatte ziehen lassen, anstatt weiter gegen die Behandlung zu protestieren, die ihm widerfuhr. „Aber das
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