Salzträume 1: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)
die Berge, und durch meinen Gatten – Gott hab ihn selig – habe ich vielleicht sogar ein wenig Zugang zu den Behörden. Ich könnte von Nutzen sein. Ich habe im Nu gepackt. Ich wollte ohnehin abreisen. Ich weiß, daß Sie mich vermutlich lieber nie getroffen hätten, doch vielleicht verstehen Sie ja, daß ich jetzt nicht einfach nach Hause fahren kann, um auf einen Brief zu warten, der möglicherweise nie kommt. Bitte glauben Sie ...“
„Kommen Sie mit“, hörte sich Cérise sagen. „Mrs. Fairchild mietet gerade einen Wagen. Sie wird gleich dasein. Ihre Zofe wird uns begleiten, doch wir werden sicher Platz für eine weitere Person haben. Wir werden unsere Männer zurückbekommen, und wenn wir sie aus diesen abscheulichen Gebirgen herauskratzen müssen.“
Frau Treynstern stand auf.
„Danke“, sagte sie. „Ich gehe packen. Ich rate Ihnen, warme Bekleidung mitzunehmen. Ende September ist Spätsommer in manchen Teilen Europas, doch hier in den Bergen kann es plötzlich zu Wintereinbrüchen kommen. Ich warte in der Halle auf Sie.“
Cérise öffnete ihr die Tür.
„Ich bin froh, daß Sie gekommen sind“, sagte sie zu der Frau.
„Ich bin froh, daß ich den Mut dazu gefunden habe“, entgegnete Frau Treynstern, „und daß Torlyn eine Liebe gefunden hat, die sich durch soviel Mut und Entschlossenheit auszeichnet.“
„Offensichtlich bevorzugt er einen solchen Typ Frau, Frau Treynstern.“
Die beiden Frauen lächelten einander an.
Kapitel 8
Bisher war es kein Desaster gewesen. Es hätte schlimmer kommen können. Es hätte auch besser kommen können, möglicherweise sogar viel besser.
Doch Charly hatte keine Romantik erwartet.
Sie hatte auch keine bekommen. Also hatte sie letztlich bekommen, was sie erwartet hatte, zumindest was Leopold anging, nämlich so gut wie nichts.
Die Herren waren am späten Nachmittag angekommen. Eine gemischte Gruppe. Einige von ihnen hätte Charly sicher nicht in einer Jagdgesellschaft erwartet. Doch der Wert eines Menschen bemaß sich nicht danach, ob seine Familie zur besseren Gesellschaft gehörte. Das wußte sie, und Onkel Traugott wußte das auch.
Nur hatte sie nicht erwartet, daß Leopold es wußte. Sie versuchte, sich noch einmal alle Namen der Gäste ins Gedächtnis zu rufen. Franz-Ferdinand von Stauff, Helmut Untermoser, Wolfgang von Eschl, Gernot Meyer, Johannes Traber, Manfred Kraitmair, Friedrich Donnersberg und Leopold. Bei einigen hätte sie es vorgezogen, nicht deren Gastgeberin sein zu müssen, doch vielleicht war es nicht fair, sie nach dem ersten Eindruck zu bewerten.
Leopold hatte streng und wachsam gewirkt. Sie wußte, daß er für das Kriegsministerium arbeitete, und obgleich er als Zivilist angestellt war, hatte sein Gebaren viel Militärisches. Es gelang ihm, entschlossen und sehr ernsthaft auszusehen, ohne ruppig oder unfreundlich zu sein. Im Gegenteil. Seine Höflichkeit war glatt und präzise. Er machte ihr ein Kompliment bezüglich ihres Kleides und ihres Aussehens. Es war eine Lüge – eine höfliche, aber dennoch eine Lüge.
Ihr Onkel hatte sich während der Begrüßung bedeckt gehalten. Er wirkte beunruhigt und resigniert. Er hatte ihr nie gesagt, daß er Leopold nicht mochte. Doch wenn man ihn kannte, dann merkte man, daß ihm die ganze Angelegenheit zuwider war. Er wirkte gehetzt und bitter. Sie fragte sich, was ihn störte.
Natürlich konnte sie ihn das jetzt nicht fragen. Das Haus war voller Gäste. Sie hatte sie zu ihren Zimmern geleitet und schon im voraus um Nachsicht gebeten, falls etwas nicht ganz ihren Erwartungen entsprechen mochte. Sie wüßten ja, daß ihr Onkel und sie ein sehr zurückgezogenes Leben führten.
Die Herren kleideten sich zum Dinner in ländliche graugrüne Jägertracht und kamen alle zusammen herunter. Sie wirkten eher wie eine Truppe als wie ein lockerer Freundeskreis. Sie waren freundlich, doch ihr gutes Benehmen war forciert. Charly hätte von Männern, die Urlaub machten, um in den Bergen auf die Jagd zu gehen, etwas mehr Übermut und Begeisterung erwartet. Die meisten waren still und hielten sich aus jeglicher Konversation heraus. Möglicherweise langweilten sie sich. Eventuell war sie auch eine schlechte Gastgeberin, nicht nur eine, die schlecht aussah. Immerhin gab es einen Mann, der über ihre Bonmots lachte und sie nach ihrem Leben so fern der Hauptstadt fragte. Ein junger Mann mit hellblondem Haar, einem feinen Gesicht und einem kleinen Schnurrbart. Ein Herr Meyer. Er war nett. Sehr sogar.
Zu
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