Salzträume 1: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)
er die Puppe in ihrem Beisein enthauptet.
Sie konnte sich genau daran erinnern. Seltsam. Jahrelang hatte sie nicht daran gedacht. Als sie damals weinend in den Wald gelaufen war, hatte Sevyo sie getröstet, ihr den Schmerz genommen und ihr Gemüt beruhigt. „Du wirst dich daran erinnern, wenn du mußt“, hatte die wunderschöne, weise Frau gesagt und Charly im Arm gehalten, bis sie zu weinen aufgehört hatte.
Sie fragte sich, warum die Erinnerung nun wieder aus den Tiefen ihres Gedächtnisses aufgetaucht war. Vielleicht war es natürlich, schließlich kam Leopold zu Besuch, und nach und nach kamen viele Erinnerungen wieder an die Oberfläche, gute und schlechte. Er hatte mit ihr auf einem Ball getanzt, als sie für die Ferien aus dem Institut heimgekommen war. Er war ein guter Tänzer. Sie hatte ihr erstes Ballkleid an, und er hatte ihr Komplimente gemacht, als sei sie eine richtige erwachsene Dame und nicht nur ein Schulmädchen, das die Ferien zu Hause verbrachte. Das war nett gewesen.
Sie waren jetzt beide erwachsen. Sie spielte nicht mehr mit Puppen, und er würde keine mehr entführen und ermorden.
Trotzdem wünschte sie, sie hätte sich nicht gerade jetzt daran erinnert.
Kapitel 7
Cérise sah ihrer Zofe beim Packen zu. Sie würde ihre eleganten, raffinierten Kleider, die ihre Schönheit bei Konzerten oder anderen hochkarätigen Funktionen so gekonnt unterstrichen, nicht brauchen. Sie wünschte, sie hätte auch einige praktische und widerstandsfähige Sachen. Es mangelte ihrer Garderobe an passender Kleidung für einen Ausflug ins Gebirge. Sie war gekommen, um einige Konzerte zu singen und nicht um Gipfel zu ersteigen.
Sie haßte Berge. De vrai , sie sahen nett aus und natürlich auch beeindruckend und all das. Zudem waren sie in Mode, besonders bei der Wiener Hofgesellschaft. Doch sie waren schrecklich, was ihre Auswirkungen auf Stil und Grazie anging. Niemand konnte einen steilen Berg erklimmen und dabei graziös aussehen. Die weißen Kleider, die Cérise im Sommer gern trug, verschmutzten zusehends bei soviel Kontakt mit ach so freier Natur, und bergauf zu laufen brachte einen ins Schwitzen. Göttinnen schwitzten nicht, und als solche wurde sie von der Presse hochgelobt, als unerreichbar talentiert und schön. Sie ging mit diesem Nimbus sehr sorgsam um. Hügel zu erklimmen, in unpassender Kleidung und mit glühendem Gesicht, vermittelte kaum den richtigen Eindruck.
„Ich hätte eines dieser Bergbesteigungskleider kaufen sollen. Sie tragen sie hier alle, als vermittle das bloße Anziehen eines solchen Gewandes schon eine Aura von Sportlichkeit. Aber die Grau- und Grüntöne sind allzu jägerlich grob. Unweiblich, und es ist mir völlig einerlei, ob Ihre Majestät die Kaiserin von Österreich so etwas auch trägt oder nicht“, erklärte sie ihrer Zofe, deren Lächeln ein wenig eingefroren war, da die Aufgabe, eine passende Garderobe für eine Reise in die Berge zusammenzustellen, so gut wie unlösbar war in Anbetracht der Kleidungsstücke, die ihre Arbeitgeberin mit nach Bad Ischl gebracht hatte.
„Ich könnte wetten“, fuhr Cérise fort, „daß Corrisande kein Aufhebens um ihre Kleidung macht. Höchstwahrscheinlich kommt sie in Loden und einem praktischen, kurzen Rock.“
Sie blickte wieder auf die Gewänder und dann auf ihre Zofe, wie diese ein- und wieder umpackte. „Beeil dich, Madeleine. Ich will auf keinen Fall zu spät kommen. Wir müssen uns sputen, wenn wir Bad Aussee heute noch erreichen wollen. Also bitte trödle nicht.“
Madeleine sagte ihrer Arbeitgeberin nicht, daß sie längst mit dem Packen fertiggewesen wäre, wenn diese sich nicht ständig wieder anders entschieden hätte. Sie nickte nur und packte weiter. Wenn Mlle. Denglot wirklich wandern wollte, dann hätte sie sich zumindest die richtigen Stiefel dafür besorgen sollen. Die zierlichen, hochhackigen Knopfstiefeletten und entzückenden, wenngleich auch ein wenig skandalösen offenen römischen Sandalen würden sie nicht weit bringen.
„Mrs. Fairchild wird mich abholen. Sie hat sich bereit erklärt, einen Vierspänner mit Kutscher aufzutreiben. Die Postkutsche ist zu langsam. Mit unserem eigenen Wagen werden wir hoffentlich schneller sein. Sie wird auch ihre Zofe mitnehmen, die uns beide bedienen muß. Du bleibst hier, nur für den Fall, daß die Herren zurückkommen sollten. Bitte sieh täglich auch bei Mrs. Fairchilds Gasthaus nach. Es wäre zu ärgerlich, wenn Graf Arpad oder Mr. Fairchild einträfen, und wir wären
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