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Salzträume 1: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Salzträume 1: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Titel: Salzträume 1: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ju Honisch
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Cérise. „Ich bin sicher, Sie mögen das Ungewöhnliche, und wenn er etwas ist, dann ist es ungewöhnlich.“
    Schweigen senkte sich über die Reisenden, und der Wagen rumpelte weiter, schwankte mal in die eine, mal in die andere Richtung. Eine Weile sagte niemand etwas; alle konzentrierten sich darauf, nicht allzusehr hin und her geworfen zu werden.
    Corrisande schloß die Augen. Sie würde dies aushalten. Sie würde ihrer Übelkeit nicht nachgeben. Wenn sie nur ein wenig schlafen könnte, hier in der Kutsche. Sie war so müde. Ihre Abgespanntheit laugte sie aus. Ihre Lider waren wie aus Stein. Selbst wenn sie gewollt hätte, hätte sie sie nicht öffnen können. Das Gewicht ihrer Erschöpfung drückte sie nieder. Es war ihr, als flösse selbst ihr Blut langsamer durch ihre Adern, summe in ihren Ohren und überdecke nach und nach alle anderen Geräusche.
    Sie spürte geradezu, wie der Schlaf sie durch das Rumpeln der Kutsche übermannte. Sie wehrte sich nicht, hieß ihn willkommen wie einen Freund. Der Schlummer der Erschöpfung fiel über ihre Augen, sank in sie hinein, und Momente später verschwand das Wackeln und Schlingern der Kutsche hinter einem schwarzen Vorhang von traumgebundenem Chaos.
    Die Geräusche, die ihre Ohren erreichten, verwandelten sich in andere Laute, und die unregelmäßigen Bewegungen ließen sie einen finsteren Gang entlanglaufen. Sie war wieder im Berg und suchte Philip. Sie sah ihn gerade noch, wie er hinunterkletterte, tiefer und tiefer, eine große, dunkle Gestalt zwischen den unruhigen Schatten von Salz und Stein. Sie lief, versuchte, ihn zu erreichen, doch sie konnte mit seinen langen Beinen und seiner überlegenen Kraft und Ausdauer nicht mithalten. Da stolperte er und fiel, glitt ganz langsam in den schwarzen Abgrund, aus dem er nie wiederkommen würde. So langsam fiel er, fiel und fiel immer noch und war doch noch beinahe greifbar nah, daß sie ihn sinken sehen konnte; ihr Blick hielt ihn noch immer, während ihr Arm ihn nicht mehr erreichte. Sie hastete, huschte und jagte über den unebenen Höhlenboden, und mit einem Mal war ein See zwischen ihm und ihr, ein schimmerndes, unterirdisches Gewässer, in das Wasserfälle aus dem Nichts stürzten. Sie hörte das Brausen des Wassers, das Tröpfeln von Tropfen, das Gurgeln von eiligen Sturzbächen.
    Sie tauchte ins Wasser und hörte ihr Kind in ihr schreien vor Kälte. Wie ein Schwert aus Eis durchbohrte sie die Kälte, zerriß sie und attackierte ihr Kind, und es gab nichts, das sie tun konnte. Sie verging, verrann, zerlief in der finsteren Gischt, verlor nach und nach alles, was an ihr menschlich war und war zuletzt nichts als Wasser. Sie hörte Philip rufen. Er schrie ihren Namen.
    „Corrisande? Corrisande!“
    Cérise schüttelte sie am Arm.
    „Wachen Sie auf! Geht es Ihnen gut? Sie haben im Schlaf gejammert.“
    Sie schreckte hoch, versuchte, sich zu sammeln. In ihren Ohren gellte noch sein Ruf, ihr Name, den dann doch Cérise gesagt hatte.
    „Ich hatte einen Alptraum“, murmelte sie. „Ich war wieder in der Höhle. Oh du lieber Gott ...“
    Sie merkte, daß ihr Tränen die Wangen herabrannen. Sie hatte im Schlaf geweint wie ein Kind.
    „Was haben Sie geträumt? Kann es uns helfen?“ fragte Frau Treynstern.
    Corrisande angelte ein Taschentuch aus ihrem Pompadour und wischte sich das Gesicht ab. Wie unangenehm.
    „Ich weiß nicht. Wir waren beide in der Höhle. Ich versuchte, ihn zu erreichen. Doch er fiel, und ich mußte ihm hinterherschwimmen und ... habe mich im Wasser aufgelöst. Ich hörte ihn nach mir rufen.“
    Sie rang um Fassung und spürte, daß Frau Treynstern ihr die Hand hielt.
    „Beruhigen Sie sich doch. Wir können die Träume nicht deuten. Aber Sie können sich nicht in Wasser auflösen.“
    Doch. Es war nicht viel von einer Nixe in ihr, doch es reichte, sie in eine Wasserkreatur zu verwandeln. Das wußte sie, seit sie in München durch einen nahezu gefrorenen Bach geschwommen war. Sie hatte überlebt, weil sie Wasser geatmet hatte. Sie hatte nicht gewußt, daß sie das konnte, doch seither war ihr klar, daß sie sich im Wasser verlieren, all die Erinnerungen an eine trockene Welt außerhalb des Wassers einbüßen konnte. Das Wasser aber bot ihr nichts, was sie wollte, denn sie würde allein sein. Ohne Philip.
    „Wer weiß“, sagte sie nur, wollte nicht über ihre Andersartigkeit sprechen, wollte nicht einmal selbst darüber nachdenken.
    „Wissen Sie“, Cérise Denglot versuchte eine Erklärung, ohne

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