Salzträume 1: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)
Küchenschaben, und in einem direkten Kampf sind sie kaum zu besiegen.“
Ihre Hände waren besudelt mit dem Blut des dunklen Mannes, als sie versuchte, seine Weste und sein Hemd zu öffnen, um nach seinen Wunden zu sehen. „Wirklich, Charlotte“, fuhr Leopold spöttisch fort. „Du benimmst dich unglaublich. Hör sofort auf, diesen Mann zu entkleiden. Ich muß sagen, ich hätte von der Frau, die meine Eltern für eine passende Partie für mich halten, ein wenig mehr Zucht und Anstand erwartet.“ Er nickte knapp, und jemand ergriff sie von hinten und zog sie von dem leblosen Körper fort.
Charlys Hände bebten.
„Leopold“, fauchte sie, wobei sie vergeblich versuchte, sich aus der Umklammerung zu lösen. „Dich würde ich nicht heiraten, und wenn du der letzte Mann auf Erden wärst. Die Arterhaltung mit jemandem zu sichern, der weder Charakter noch Moral besitzt, erscheint mir ein zu großes Opfer, als daß die Welt – und schon gar nicht ich – es verdient hätte. Wenn ich heirate, möchte ich, daß mein Mann mutig ist und nicht feige, ehrlich und nicht verlogen, vertrauenswürdig und nicht ein Betrüger, und vor allem möchte ich auf keinen Fall mein Leben mit einem blutrünstigen Metzger teilen.“
Sie sah den Schlag nicht kommen. Sie schrie auf. Der Aufprall nahm ihr die Sicht und erschütterte ihre Sinne. Sie brauchte einen Moment, um zu begreifen, daß nicht Leopold sie geschlagen hatte, sondern Kraitmair.
„Passen Sie auf, was Sie sagen“, herrschte er sie an. „Entschuldigen Sie sich bei Herrn von Waydt. Was er tut, tut er ...“
„Das reicht!“ unterbrach ihn ihr Beinahe-Bräutigam scharf. „Charlotte, du gehst auf dein Zimmer und bleibst da. Wir werden bald aufbrechen, und das da nehmen wir mit. Du wirst vergessen, was du heute gesehen hast. Für deinen ach so vaterlandsliebenden Onkel wirst du den Mund halten über das, was du nicht hättest sehen sollen.“ Er lächelte dünn. „Ich muß schon sagen – was für ein furchtbares Betragen, bei einer Herrenrunde zu lauschen. Ein Glück, daß wir nichts Unmoralisches erörtert haben.“
„Ach, du findest Mord moralisch?“ fragte sie zurück und trat ganz plötzlich nach hinten aus. Sie traf und wurde mit einem Schmerzenslaut belohnt. Der Griff um ihre Arme lockerte sich. Sie nutzte den Moment, um mit den Ellenbogen nach hinten zu stechen. Wieder ein ärgerlicher Laut, dann war sie frei.
Sie floh nicht. Es gab keinen Ort, wohin sie hätte laufen können. Sie kauerte sich nur wieder neben den Sí und kämpfte mit den Tränen.
„Du sagst, du brauchst ihn lebend. Dann laß mich wenigstens seine Wunden versorgen. Das ist grausam.“
„Du weißt doch gar nicht, worum es geht. Aber das hast du nie gewußt, nicht wahr? Sie mußten deinen verdammten Baumbuhlen verbrennen, um dich von seiner Macht zu befreien. Sie scheinen ihn freilich zu spät verbrannt zu haben. Wenn sie mich nicht gehabt hätten, hätten sie gar nichts von ihm gewußt.“
Es war kein Spott in seiner Stimme. Vielmehr klang er stolz. Ihre Sinne schwammen, als sie begriff, was er da sagte. Sie war sprachlos. Der Laut, der aus ihrer Kehle drang, war kein Wort, kein Schluchzen, nur purer Schmerz.
Es gab nichts zu sagen. Die Haare standen ihr bei der Erinnerung an Sevyos letzten Schrei zu Berge. Sie rang nach Luft, senkte den Blick auf die blutende Kreatur, die vor ihr lag. Sie atmete ein, aus und wieder ein, dann sprang sie mit einem Satz hoch und schlug mit beiden Fäusten nach dem Mörder, schrie in sein überlegen lächelndes Gesicht.
Sie erreichte ihn nicht. Kraitmair war schon da, hob die Fäuste, und sie bereitete sich auf den Schmerz vor, der sie treffen würde.
Doch er kam nicht. Leopold hielt ihn zurück.
„Lassen Sie das. Wir sind nicht hier, um Frauen zu schlagen. Bringen Sie sie auf ihr Zimmer und sperren Sie sie ein, aber denken Sie daran, wer sie ist. Ich will keine Klagen hören.“
Der derbe Mann mit den kalten, braunen Augen ergriff sie rüde am Arm und zog sie zur Tür. Sie fuhr ihm mit den Fingernägeln der anderen Hand ins Gesicht, doch er fing ihr Handgelenk und verdrehte es, bis sie aufschrie.
Meyer mischte sich wieder ein.
„Von Waydt! Das geht zu weit! Wir sind gekommen, um einen Feyon zu fangen und nicht, um Damen zu verletzen. Machen Sie dem ein Ende!“
Charly sah, wie Leopold sich dem blonden Mann zuwandte.
„Wollen Sie mich herumkommandieren? Darf ich Sie daran erinnern, daß Sie kein Offizier mehr sind – weil man Sie mit einem
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