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Salzträume 1: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Salzträume 1: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Titel: Salzträume 1: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ju Honisch
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Zeitpunkt. Er brauchte seinen Atem und seine Kraft, um zu entkommen, und es war auch möglich, daß der Bayer ihm gar nichts mitteilen wollte. Wenn er im Auftrag seiner Regierung hier war, wäre ein ehemaliger Agent eines anderen Landes vermutlich der Letzte, dem er etwas sagen würde.
    Jedenfalls würden sie ihm von dem Jungen und seinem Hauslehrer berichten. Vielleicht wußte er etwas über deren Verbleib. Möglicherweise rührte der Gestank, der Delacroix inzwischen heftig auf die Nerven ging, von einem von ihnen her.
    Nein, es konnte noch nicht aus sein. Selbst wenn der Leichnam einem der beiden Vermißten gehörte, fehlte immer noch der zweite. Gerade die so kunstreich versteckte Falle bestärkte Delacroix in dem Glauben, daß an dem Bericht des Jungen doch mehr dran war als nur die romantische Abenteuerlust eines törichten Knaben. Schmuggler und Diebe mochten zwar Fallen bauen, doch Meister des Arkanen waren allzu selten und viel zu schwierig aufzutreiben, als daß man gerade mal einen überreden konnte, diese doch bitte magisch zu verbergen.
    „Warum sind Sie hier? Was ...“ begann von Görenczy. Jetzt, da seine Rettung nahte, erholte er sich schnell.
    „Ich bin hier, um nach McMullens Neffen und dessen Lehrer zu suchen. Sie werden in den Bergen vermißt. Der Junge ist auf irgendein dummes Abenteuer ausgezogen und verschwunden, und der Lehrer hat nach ihm gesucht und ist auch weg. McMullen hat mich um Hilfe gebeten.“
    Er spürte, daß von Görenczy ihm nicht glaubte. Er hätte es in seiner Situation auch nicht geglaubt, wenn er mitten in einer Mission plötzlich einem Agenten eines anderen Landes begegnet wäre. Er glaubte ja auch nicht, daß der Bayer hier nur zur Sommerfrische war.
    Vielleicht war dies nun auch nicht mehr privat. Der Junge hatte angedeutet, eine neue Waffe entdeckt zu haben, die hier in den Bergen gebaut wurde und die das Kriegshandwerk revolutionieren würde. Wenn das mehr als der jungenhafte Traum war, für den Delacroix die Sache bisher gehalten hatte, dann war es seine patriotische Pflicht, alles darüber herauszufinden und die Geschichte seiner Regierung zu berichten. Alte Gewohnheiten starben langsam. Delacroix hatte seine Laufbahn im Krimkrieg begonnen und war mehr als zehn Jahre lang ein „Mann für besondere Fälle“ gewesen.
    Eins nach dem anderen. Erst mußten sie hier heraus. Wie aufs Stichwort hörte er McMullens Stimme: „Ich lasse jetzt das Seil hinunter. Sie sind ja ein geübter Kletterer.“
    „Normalerweise schon“, rief Delacroix nach oben. „Doch ich muß von Görenczy mit hoch schaffen. Ich glaube nicht, daß er im Augenblick besonders gut klettert. Er ist leicht lädiert.“
    „Von Görenczy? Was in aller ...“
    „Später. Erst will ich hier raus und verschwinden, ehe uns die Leute schnappen, die dies hier inszeniert haben. Ich kann den Leutnant tragen, aber ich kann nicht gleichzeitig klettern.“
    Eine Weile herrschte Schweigen. Dann sprach McMullen erneut: „Ich glaube, ich weiß, wie wir es machen. Beten Sie, daß das auch klappt. Wenn nicht, bleiben Sie länger hier, als Ihnen lieb ist.“
    „Ungern. Hier liegt ein Leichnam, und der ist nicht frisch.“
    „Ist es ...?“
    „Ich weiß nicht. Es ist zu dunkel. Holen Sie uns raus. Ich spüre in den Nackenhaaren, daß uns die Zeit davonläuft.“
    „Dann sollten wir uns beeilen. Ihre Nackenhaare haben die unangenehme Eigenschaft, Recht zu behalten.“
    Das Seil fiel Delacroix beinahe auf den Kopf.
    „Ich habe es im Felsen verankert und ich werde es jetzt festwachsen lassen. Binden Sie es um sich und von Görenczy. Sowie das Seil kürzer wird, zieht es sie hoch. Aber lassen Sie um Gottes Willen nicht los. Wenn das Seil erst mal im Felsen ist, bleibt es da. Es reicht nicht noch mal nach unten.“
    Delacroix zog Udolf an sich heran und band das Seil fest um seinen Oberkörper und den des Verletzten. Er spürte, wie von Görenczy zusammenzuckte. Wenn man gebrochene Rippen hatte, machte dieses Manöver anscheinend wenig Freude.
    „Legen Sie die Arme um meinen Hals“, befahl er, „ich halte Sie um die Taille.“
    Sie standen in einer engen Umarmung und hielten sich aneinander fest. Delacroix hätte für dieses intime Manöver Corrisande vorgezogen, doch er schob den Gedanken an ihren warmen, anschmiegsamen Körper weit von sich. Zu einem unpassenden Moment an die lieblichen Rundungen seiner Gattin zu denken hatte ihn überhaupt erst in diese Situation gebracht.
    „Holen Sie uns rauf, McMullen!“

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