Salzträume 1: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)
zerriß sie fast. Sie wollte nicht so vor den beiden sitzen.
„Schreien Sie weiter“, sagte nun auch der Sí. Sie begriff, daß ihr Schreien den Eindruck wahren sollte, Kraitmair wäre noch nicht mit ihr fertig. Sie verstand, aber sie brachte keinen Laut über die Lippen. Sie war vor Entsetzen und Abscheu verstummt.
Meyer hielt auf einmal ein Messerchen in der Hand. Er und Arpad standen einander gegenüber wie zwei Tiger, die um ein Revier fochten. Ihre Augen blitzten, ihre Muskeln waren zum Sprung angespannt.
„Ich hätte Sie vor einem halben Jahr töten sollen“, sagte der Feyon. Seine Stimme klang dunkel und viel zu mitleidig und samtig, um Vertrauen einzuflößen. „Doch ich habe mir eingebildet, Sie hätten aus unserem Abenteuer etwas gelernt. Ich hätte es besser wissen müssen. Die Fähigkeit Ihrer Art, über den Tellerrand zu blicken, ist nicht besonders ausgeprägt.“
„Keinen Schritt näher, Graf Arpad, sonst muß ich Sie umbringen, und ich brauche Sie noch, um Fräulein von Sandling in Sicherheit zu bringen. Ich nehme an, Ihr unerwartetes Auftauchen bedeutet, daß ihr Schicksal Ihnen doch nicht gänzlich gleichgültig ist.“
Sie verstand nur, daß sie einander haßten und gegeneinander kämpfen würden, und sie wußte, wer der Sieger sein würde. Der Blonde mit dem Obstmesserchen hatte keine Chance. Oder doch? Er machte nicht den Eindruck, als hätte er Angst.
Sie rollte sich vom Bett und fand sich auf den Knien zwischen den Streitern wieder. Es gelang ihr nicht aufzustehen. Ihre Beine gehorchten nicht. Ihr Körper zitterte.
„Nicht“, flehte sie und merkte, daß ihr Tränen übers Gesicht liefen. „Bitte nicht!“ Dann fiel sie rückwärts in einen unendlichen schwarzen Ozean, dessen Wellen über ihrem Kopf zusammenschlugen. Ihr letzter, beinahe faszinierter Eindruck war, daß sie nun endlich wußte, wie es war, wenn man in Ohnmacht fiel. Das war ihr noch nie passiert.
Kapitel 18
Von Görenczy atmete scharf ein, als das Seil in seinen Rücken schnitt und ihn und Delacroix zusammenzog wie ein Liebespaar. Er krallte die Finger in die Kleidung des größeren Mannes, denn er wollte keinesfalls zurückbleiben, nur weil es ihm nicht gelang sich festzuhalten. Er war lang genug hier gewesen. Engel und Heilige Nothelfer mußten den Briten hierher gesandt haben – und wahrscheinlich seine Regierung. Pech. Doch daran wollte er gerade nicht denken. Er wollte hier raus, und Delacroix und McMullen würden ihn rausholen, und dann würden sie ihm was zu trinken verschaffen und etwas zu essen und ein warmes Bett. Alles andere mußte warten.
Natürlich war viel zu tun. Längst hätte er Bericht erstatten müssen. Doch er wußte nicht mehr als vorher. Die Nachricht, auf die er gewartet hatte, hatte ihn nie erreicht, und er hatte keine Vorstellung davon, wie lange er in diesem Loch festgesteckt hatte. Es kam ihm vor wie Jahre, doch es konnten nicht mehr als ein paar Tage gewesen sein.
Seine Füße hatten den Boden verlassen. Er spürte, wie das Gewicht seiner selbst und Delacroix‘ zusammen schwer an dem Seil zog. Es knarzte und schnitt in seine Seite, wobei es ihm vorkam, als fände es genau die Stelle, die am meisten wehtat. Doch er verbiß sich jeden Klagelaut. Vor einem wie Delacroix zeigte man keine Schwäche. Zu peinlich.
Man rettete ihn. Das war die Hauptsache. Er konzentrierte sich darauf. Die Höhle, in die er gestürzt war, lag nicht weit unter der Oberfläche. Während seiner Gefangenschaft hatte die Sonne zu ihm hinuntergeschienen, als wolle sie sich über ihn lustig machen. Komm schon raus, schien sie zu sagen. Klettere hoch, es sind nur ein paar Meter. Was tust du da in den Schatten?
Die Höhle hatte die Form eines Tropfens. Der enge Einlaß oben öffnete sich zu einem Rund. Die Wände waren eben und hingen über. Wie poliertes Glas sahen sie aus. Jemand hatte diese Höhle zu einem ausbruchsicheren Kerker geformt.
Wer immer diese Falle gebaut hatte war offenbar sehr sicher, daß niemand daraus entkommen konnte. Es war niemand nachschauen gekommen. Selbst dann nicht, als er nach ein, zwei Tagen verzweifelt genug gewesen war, laut um Hilfe zu brüllen. Gefangengenommen zu werden war ihm weitaus angenehmer erschienen, als an Kälte und Hunger zu verrecken.
Er war dankbar für das Bächlein gewesen, das an der einen Höhlenseite entlang floß. Es hatte sein Verdursten verhindert. Viel Wasser führte es nicht, doch es hatte ihn überleben lassen.
An den Toten hatte er sich nach einer
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