Salzträume 1: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)
Nachricht zu warten, hatte sich als Tarnung ein Maler angeboten. Landschaftsmaler gab es hier viele, und weiß Gott nicht alle waren große Meister.
Sein Atem schien ihm laut durch die Stille der Nacht zu hallen, eben so wie seine Schritte, obgleich sie durch einen Teppich an Moos und Blättern gedämpft waren. Er wunderte sich nicht, daß er kein Geräusch von McMullen vernahm. Als Meister konnte er vermutlich Geräusche magisch vermeiden. Doch Delacroix war auch kaum zu hören, und der massige Mann machte nicht den Eindruck, als könne er sich mit solcher Leichtigkeit bewegen.
Wieder fragte er sich, was die Briten hier taten. Soweit er wußte, hatte Delacroix nach seiner Heirat den Dienst quittiert. Also warum hatte man ihn geschickt, und wie hatten sie herausbekommen, daß in diesem versteckten Winkel des Gebirges etwas Interessantes vorging?
Er fragte sich nicht, welches Interesse die Britische Krone an dem, was hier ablief, hatte. Militärische Geheimnisse waren immer für mehr als ein Land interessant.
Nur war es ihm noch nicht einmal selbst gelungen, etwas herauszufinden. Doch das war auch nicht seine Aufgabe. Er sollte nur Informationen weitergeben. Nur hatte er keine bekommen. Er hatte die Seen aus allen möglichen Winkeln und zu jeder Tages- und Nachtzeit gemalt, aber erfahren hatte er nichts. Statt dessen war er in den Fels gefallen.
Es konnte nicht mehr weit sein, dachte Udolf. Der Toplitzsee mußte jeden Augenblick vor ihnen auftauchen. Dann würde er es sich im Boot bequem machen und Delacroix die Aufgabe überlassen, sie in Sicherheit zu rudern. Zu einem Abendbrot, einem Grog und einem warmen Bett. Mehr wollte er nicht.
Er mußte herausfinden, was die Briten hier suchten. Es war seine patriotische Pflicht, doch bitte erst nach dem Essen.
Der Wald öffnete sich zum Seeufer hin. Das Wasser glitzerte im Sternenschein. Jetzt mußten sie nur noch diesen See überqueren und dann noch einmal bergab zum nächsten, dem Grundlsee, wandern.
Hier gab es einfach zu viel Wasser. Das sah bei Sonnenschein malerisch aus, schmale, dunkle Seen, umkränzt von steilen Bergen. Trotzdem hätte er im Augenblick die Annehmlichkeiten einer modernen Großstadt vorgezogen. Eine gepflasterte Straße, eine Mietdroschke, ein exzellentes Hotel.
Ischl war nett. Kultiviert und fortschrittlich hatte es gewirkt. Der halbe Wiener Hof kam zur Entspannung oder zur Jagd dorthin, und nicht wenige Bayern. Er war nicht aufgefallen.
Die Kaiserin persönlich kennenzulernen war eine große Ehre gewesen, obgleich das Treffen geheim war und er nie würde behaupten können, ihr offiziell vorgestellt worden zu sein. Die junge Monarchin war so hübsch wie imponierend. Kaiserin eben. Doch sie war auch eine Wittelsbacher Prinzessin, und das machte sie zur gebürtigen Bayerin.
Die Sache war abstrus. Die Kaiserin war bestürzt. Gerüchte waren ihr – oder doch eher ihrem Gatten, obwohl dieser in den Gesprächen nicht Erwähnung fand – zu Ohren gekommen, es gäbe innerhalb der österreichischen Armee eine Gruppierung, die ihre ganz eigenen Ziele verfolgte. Nun war es schwierig, im eigenen Kriegsministerium nach Verschwörern zu suchen, wenn man nicht wußte, wer diese waren. Wem sollte man trauen? Wer mochte dazugehören, wer nicht?
Der Unsicherheit war die Kaiserin mit einer ebenso beherzten wie ungewöhnlichen Maßnahme begegnet, indem sie die Hilfe ihres Vaters, des Herzogs in Bayern, in Anspruch genommen hatte. Ein bayerischer Ermittler konnte kein österreichischer Revolutionär sein, und so war von Görenczy eine höfliche Leihgabe seines eigenen Landes und durch Eid gebunden, zum Schweigen verpflichtet gegenüber seinen eigenen Vorgesetzten und reportpflichtig einzig und allein der Kaiserin selbst oder ihrem Verbindungsoffizier. Ein offizieller Auftrag war dies nur in gewisser Weise, denn sollte er gefangen werden, würde die Kaiserin keinesfalls zugeben, einen Ausländer auf das eigene Kriegsministerium angesetzt zu haben, und auch seine bayerischen Vorgesetzten würden ihn nicht schützen, denn sie wußten nur, daß man ihm von höchster Stelle Sonderurlaub für eine private Angelegenheit gewährt hatte. Höchstwahrscheinlich starben sie alle vor Neugier. Ihr Pech.
Sie hatten Delacroix‘ Boot erreicht. Es erschien mit einer solchen Plötzlichkeit vor ihren Augen, daß es nur magisch hatte versteckt sein können.
„Herr im Himmel, bin ich müde“, murmelte er. „Delacroix, Sie sind dran mit Rudern. Ich werde mich darauf
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