Salzträume 1: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)
Alles war schrecklich und grauenhaft. Doch allein sein wollte sie nicht und auch nicht sterben. Sie mußte versuchen, ihm zu trauen. Wenn sie es nicht konnte, dann würde er sie umbringen. Sanft. Der Gedanke blieb in ihrem Gehirn, und ihr Herz flatterte vor Angst. Sein Daumen strich wieder über ihre Hand. Sanft.
„Nein“, entgegnete sie. „Gehen Sie nicht. Ich will leben. Ich habe nur ...“ Angst, daß ich zu schwach und zu feige dazu bin, wollte sie sagen, aber sagte es dann nicht. „Bitte glauben Sie mir, ich bin normalerweise nicht so hysterisch, wie Sie mich gesehen haben. Doch ich kann Ihnen nicht versprechen, daß es nicht wieder passiert. Dieser Mann ...“ Sie schauderte und stockte.
„Ich weiß“, flüsterte er. „Das hätte nicht geschehen dürfen. Ich verstehe, daß es dich verwirrt hat, aber dir ist nichts geschehen. Wir waren rechtzeitig da. Du bist noch immer die süße, unberührte Jungfer, die du warst, ehe er dich angriff.“
Ihr wurde warm vor Scham. Seine intime Kenntnis ihres Körpers war wie ein Schlag ins Gesicht. Er wußte zu viel von ihr, ihre verborgensten Geheimnisse, die er weder hätte kennen noch erraten sollen, und sprechen sollte er schon gar nicht darüber.
„Arpad ...“ Sie wußte nicht, was sie sagen sollte.
„Ich bin ein Feyon. Ich spüre das. Ich bin ein Mann, und den Menschen gelte ich als triebhaft. Über die Jahrhunderte wurde ich Fachmann, was körperliche Belange angeht. Das mußt du verstehen. So bin ich.“
Sie zog die Knie an und verbarg ihr Gesicht darin. Ohne aufzublicken sagte sie nach einer Weile: „Sie greifen Frauen an und trinken ihr Blut.“
Er seufzte und strich gedankenvoll über ihre Hand.
„Das stimmt. Allerdings nicht nur. Ich nehme auch Männer. So lebe ich. So überlebe ich. Doch ich bin nicht wie dein Angreifer. Ich tue es nicht, um meinen Opfern Schmerz zuzufügen oder sie zu erniedrigen. Ich überzeuge sie – auf meine Art –, daß sie mich wollen. Das tun sie fast immer. Leidenschaft, körperliches Verlangen ist das, was die Menschheit fortleben läßt. Ohne diesen Antrieb wärt ihr seit langem ausgestorben. Meist tue ich nicht mehr, als nur die Hemmungen und anerzogenen moralischen Bedenken aus dem Weg zu räumen. Meine ... Opfer mögen, was ich mit ihnen tue und was sie dabei fühlen, und ich selbst erfreue mich an ihrem Genuß, so wie auch an meinem eigenen. Wenn ich von ihnen gehe, haben sie mich schon vergessen. Nicht weinen. Keine Angst. Ich werde dir nichts tun, was du nicht willst. Ich werde mich zusammenreißen – und du auch. Wir werden an unserer Willenskraft arbeiten.“
Sie spürte sein melancholisches Lächeln.
„Wenn du deine Ansicht änderst, Charly, verspreche ich dir, daß körperliche Liebe wundervoll sein kann und nicht erniedrigend, abscheulich und gewalttätig sein muß. Aber ...“ Anscheinend fühlte er, daß sie kurz davor war, in Panik davonzulaufen, denn er beeilte sich hinzuzufügen „... du hast mein Versprechen. Nichts gegen deinen Willen.“
Mit der freien Hand wischte sie sich die Tränen aus dem Gesicht. Immer wieder ertappte sie sich dabei zu denken, er könne ihre Reaktionen in der Finsternis nicht sehen. Dann wurde ihr klar, daß er sie die ganze Zeit sehen konnte, während sie nichts hatte als seine warme Baritonstimme, um sich daran festzuhalten – und seine Hand.
„Charly?“ Sie hörte, daß er sich bewegte, seine Position änderte, doch was er tat, sah sie nicht. Dann fühlte sie seine andere Hand an ihrem Gesicht und zuckte zusammen. Er wischte ihr eine Träne ab. Es erinnerte sie an Sevyo, und sie lehnte die Wange gegen seine Hand.
„Nicht weinen. Ich wollte dir keine Angst machen. Ich werde nicht mehr davon sprechen. All deine Instinkte sind auf Flucht eingestellt. Aber ich bin deine einzige Rettung, Charly, und du bist doch eine Kämpferin, die nicht klein bei gibt.“
Seine Hand lag sanft an ihrem Gesicht, und er drehte ihren Kopf ein wenig zur Seite. „Tut dir das blaue Auge sehr weh?“ fragte er.
Sie nahm ihren Mut zusammen, versuchte, vernünftig und ruhig zu wirken, während seine Hand über ihre Haut fuhr. Ganz gelang es ihr nicht. Seine Berührung war liebevoll, aber zu intim. Sie holte tief Luft.
„Ein bißchen. Ich bin so zerschlagen. Mir tut alles weh.“
Ein Finger tippte auf ihre Nase.
„Morgen wird es besser sein, mein Herz.“
„Wollten Sie mich nicht Charly nennen?“
Sie hörte ihn lachen.
„Ja, ich werde dich Charly nennen. Aber mein Herz bist du
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