Salzträume 1: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)
Torlyn, hatte sie geseufzt. Es klang nicht nach einem Alptraum.
Der Mond schien ins Fenster, und da der Gasthof keinen Paravent hatte, der ihnen ein wenig Privatsphäre und Würde gelassen hätte, sah Sophie, wie das mondhelle Goldhaar ihrer Zimmergenossin über das Kissen strömte, wo es einem entzückenden Spitzenhauch von einem Nachthäubchen entkommen war.
Die Frau war außergewöhnlich schön. Sophie fand das irritierend und schalt sich wegen einer Eifersucht, die ihr nicht zustand. Ihre Liebesgeschichte mit Torlyn lag über zwanzig Jahre zurück, war längst vorbei. Sie hatte sie beendet. Sie war Anfang dreißig gewesen und genauso hübsch wie die französische Sängerin heute. Über zehn wundervolle Jahre hatten sie zusammen gehabt.
Es hatte unendlich wehgetan. Nichts im Leben hatte je so geschmerzt wie ihn fortzuschicken, ehe er das Interesse an ihr verlor. Doch sie wußte, sie wurde älter und er nicht. Sie wollte nicht warten, bis er sie wegen einer Jüngeren verließ. Er war nicht im normalen Sinn des Wortes treu. Auf gewisse Weise lebte er seine eigene Art von Treue. Tiefe, leidenschaftliche Liebe empfand er – soweit sie wußte – immer nur zu einem Menschen. Doch er nahm sich viele und feierte die Liebe mit ihnen. Er war so unwiderstehlich und so aufregend erotisch, daß ihn die meisten Frauen und Männer nicht viel Überredungskunst kosteten. Ein winziger Zauber, der ihnen den Weg zu Freiheit und Leidenschaft zeigte – und fast alle hießen ihn und das, was er mit ihnen tat, willkommen, ganz gleich, ob er nur ihr Blut trank oder sie auch auf andere Weise auskostete.
Das Andenken an seine Liebkosungen war immer frisch in ihrem Gedächtnis. Sie entsann sich seiner Kunstfertigkeit, ihren Körper auf ihn einzustimmen. Er hatte das Wissen und die Sensibilität, ihre Bedürfnisse zu erfühlen, ihre Liebe und ihre Leidenschaft bis zur Ekstase zu steigern. Sie erinnerte sich auch an seine Leidenschaft, die Liebe und die tiefe Erregung in den dunklen Augen.
Es hatte sie beinahe zerrissen, ihn zu verlassen. Sie hatte ihre Rückkehr in die „normale“ Gesellschaft sorgsam geplant, hatte ihn um Hilfe gegeben, und er hatte sie gewährt. Auch ihn hatte es geschmerzt, doch er war zu alt und weise, um die Notwendigkeit nicht einzusehen, und zu großmütig, um nicht alles dafür zu tun, daß sie – aus seinem Schutz entlassen – ein akzeptiertes Leben in respektablem Umfeld führen konnte.
Sie hatte sich einen Mann auserkoren, und gemeinsam mit Torlyn hatten sie eine glaubhafte Lebensgeschichte, eine ehrenwerte Vergangenheit für sie gesponnen. Torlyn hatte dafür gesorgt, daß Herr Treynstern nicht daran zweifelte, vielleicht auch dafür, daß der gutsituierte Herr sich in sie verliebte und ihr einen Antrag machte. Gesagt hatte er ihr das nicht, doch die Verbindung war ungewöhnlich. Sophie war kein junges Mädchen mehr, und Luitpold Treynstern war fast sechzig Jahre alt und ein eingefleischter Junggeselle.
Luitpold hatte ihr Rang und Namen gegeben, einen Platz im gesellschaftlichen Leben und so viel Liebe, wie er vermochte. Nichts davon war mit Torlyn zu vergleichen, doch Sophie hatte versucht, keine Vergleiche anzustellen. Er war nur ein Mensch, alt und erstaunlich unerfahren, was die körperlichen Bedürfnisse einer Frau anging. Doch das war egal. Sie hatte sich bemüht, ihm eine gute, liebevolle Frau zu sein, verständnisvoll und großzügig, und Luitpold hatte nie den geringsten Verdacht gehegt, daß der Sohn, den sie ihm nach einem Jahr Ehe gebar, nicht von ihm war. Er war ein stolzer Vater gewesen.
Wie hatte sie Torlyn um dieses Kind angefleht. Er hatte es nicht tun wollen, hatte gesagt, daß er, obgleich er sie schwängern könnte, nicht wissen konnte, ob ein so empfangenes Kind menschlich erscheinen würde oder deutlich ein Feyon-Kind wäre. Er vermochte nur in Grenzen Einfluß auf die Natur zu nehmen. Er warnte sie, daß es sie ruinieren würde, wenn sie ein Kind gebar, daß offensichtlich nicht von ihrem Gatten stammte, und daß es auch für das Kind grausam sein konnte, wenn es nicht wußte, wohin es gehörte.
Doch er hatte sie genug geliebt, um es trotzdem zu tun. Heimlich war er in ihr Haus gekommen, als Luitpold beruflich unterwegs gewesen war. Es war das letzte Mal gewesen, daß sie sich geliebt hatten. Wild und unheimlich und fast verzweifelt war die Nacht gewesen, und sie hatten beide gewußt, daß sie einander nie wieder haben konnten.
Eventuell hatte er sein Fey-Talent, Erbgut zu
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