Salzträume 1: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)
bereits von ihrem nächtlichen Traum erzählt.“
Die Sängerin trug ein Kleid, das viel zu vornehm für die alpine Umgebung war. Dicke goldbraune Seide mit schwarzen Pünktchen, militärisch angehauchten Ärmeln mit ausgestellten Manschetten und stilisierten Epauletten. Eine schwarze Spitzenschleife zierte einen schmalen Kragen. Das Mieder war ebenfalls mit schwarzer Spitze verbrämt. Gold und schwarze Spitze fanden sich auch in ihrer Frisur wieder.
„Ich träume nicht von Leutnant von Orven“, gab Corrisande zurück und nahm am Tisch Platz, an dem die beiden anderen Damen schon mit dem Frühstück angefangen hatten, da sie nicht sicher sein konnten, wann ihre Reisegefährtin sich gut genug fühlen würde, zu ihnen zu stoßen. Sie hatten sie unterschätzt. Das taten die meisten.
„So habe ich das doch nicht gemeint“, beschwichtigte Cérise. „Ich wollte nicht andeuten, Sie schwärmten unserem tapferen kleinen Leutnant hinterher, obgleich ich mich gut erinnere, daß er Sie einmal sehr erstrebenswert fand.“
Corrisande sah sich besorgt um, doch sie waren allein. Nicht einmal eine Kellnerin war in der Nähe, um sie zu bedienen.
„Bitte setzen Sie sich doch und essen sie etwas“, unterbrach Frau Treynstern. „Die Kost ist einfach, aber die Konfitüren sind ausgezeichnet. Möchten Sie ein Ei?“
„Nein, danke. Brot und Konfitüre reichen. Wir wußten ja, daß dies keine Luxusreise werden würde. Gibt es Tee?“
„Sie haben Kaffee und Sahne. Lassen Sie mich die Hausmutter spielen. Das Mädchen ist verschwunden.“
Ihre Blicke trafen sich, und sie lächelten einander an. Corrisande mochte Sophie. Fast wie eine Mutter war sie ihr letzte Nacht gewesen.
Cérise blickte von der älteren Frau zur jüngeren. Sie haßte es, links liegen gelassen zu werden. In der Tat mochte sie es schon nicht, nicht der Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu sein, denn normalerweise war sie genau das. Zudem war es unfair, sie nicht mit einzubeziehen, schließlich waren sie eine verschworene Gemeinschaft, und hier ging es um die Rettung ihrer Männer und nicht darum, wie sich Delacroix‘ Frau morgens fühlte. Corrisande wandte sich ihr wieder zu, ein schiefes Lächeln auf ihren Zügen.
„Sie haben Recht. Asko schien mir wirklich sehr zugetan, wie Sie sehr wohl wissen, und Sie wissen auch, warum er dieses Gefühl von einem Augenblick zum nächsten verlor. Kreaturen wie ich sind ihm widerlich.“
Die Tür öffnete sich, und eine Bedienung kam und brachte frischen Kaffee. Sie sagte etwas zu Corrisande, die versuchte, den Sinn trotz der interessanten Dialektfärbung auszumachen. Sie konnte gut Deutsch, doch das Gesagte klang so gar nicht nach der Sprache, die ihre Gouvernante ihr vor Jahren eingetrichtert hatte. Sophie Treynstern antwortete dem Mädchen, und es knickste und ging und schloß die Tür hinter sich.
„Natürlich. Der Idiot besaß sogar die Unverschämtheit, mit seiner Waffe auf Arpad zu zielen.“ Cérise blickte wieder zu Sophie. „Mrs. Fairchild ist tatsächlich in die Schußlinie getreten. Das war allerdings, bevor von Orven über ihr kleines Geheimnis Bescheid wußte. Danach hätte er höchstwahrscheinlich einfach durch sie hindurch geschossen.“
„Nein“, protestierte Corrisande. „Ihm gefällt nicht, was ich bin, aber er hätte mir nie absichtlich wehgetan. Er ist einfach nicht die Sorte Mann.“
Cérise lehnte sich zurück.
„Jeder Mann ist diese Sorte Mann. Er hat Ihnen den Laufpaß gegeben, aber es kann ihm kaum entgangen sein, daß hinter ihm schon einer in der Warteschlange harrte. Schließlich haben Sie Delacroix im Eilverfahren geheiratet, ehe der nächste Tag vorbei war.“
Corrisande errötete pflichtschuldig. Sie tat es mit Anmut und ohne Zögern und war froh, daß sie die besondere Fähigkeit, rot oder blaß zu werden, wann immer es opportun war, nie verlernt hatte, obgleich sie die Kunst nicht mehr aktiv übte. Cérise hatte also eine ihrer Launen und versuchte, sie zum Erröten zu bringen. Das konnte sie haben.
„Philip hatte seine Pläne gemacht, und Sie wissen – aus eigener nicht eben unerheblicher Erfahrung, wie ich meine – daß er ein Mann ist, dem man nur schwer widerstehen kann, nicht wahr?“
Die grünen Augen der Sängerin blitzten auf, dann verzog sich ihr Mund zu einem plötzlichen reumütigen Lächeln.
„ C‘est vrai “, sagte sie in ihrer eigenen Sprache, die sie manchmal um des exotischen Effektes willen in die Konversation einbrachte, besonders wenn sie ärgerlich
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