Salzträume 2: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)
vor Schreck und er vor Schmerz.
Wie Liebende standen sie beieinander. Meyers Hände lagen auf den Schultern des Vampirs. Fast wirkte das wie eine Umarmung, doch sie wußte, daß er sie dort hielt, um den anderen von sich fortschieben zu können. Nicht, daß ihm das jemals gelingen würde.
Der Vampir hatte dem Mann einen Arm um die Taille gelegt und preßte seinen Unterkörper gegen sich. Der andere Arm hielt seine Schulter und seinen Oberkörper in Position. Arpads Gesicht konnte sie nicht sehen, nur sein schwarzes Haar. Herrn Meyers Gesicht war zur Seite abgewandt, doch nicht so sehr, daß sie seinen Ausdruck von intensivem Ekel, extremem Schmerz, von Scham, Demütigung und Furcht nicht sehen konnte.
Charly begann leise zu weinen, konnte sich nicht zusammennehmen. Er tat ihr so unendlich leid. Er hätte es nie tun dürfen. Sie wußte, was er fühlte. Es mußte in etwa das sein, was sie gefühlt hatte, als Kraitmair sie aufs Bett geworfen hatte, um sie zu schänden. Was er fühlte, war ihre Schuld. Alles war ihre Schuld.
Sie wollte dem Vampir nicht das Mahl unterbrechen, doch bald machte sie sich Sorgen um das Leben des Mannes. Sie war sich niemals sicher gewesen, ob der Sí zu trinken aufhören konnte, bevor er satt war, wenn er von ihr getrunken hatte. Und ihr Leben hatte ihm am Herzen gelegen. Dasselbe konnte man nicht über Meyer sagen. Niemand konnte wissen, ob der Vampir diesmal seinen wilden Drang zügeln konnte oder ob er das überhaupt vorhatte.
Sie schluchzte einmal auf, und das Geräusch hallte durch die Höhle. Sie hatte nicht weinen wollen. Sie hatte über ihr eigenes Schicksal nicht so geweint, oder doch kaum.
Dann gaben die Knie des Mannes nach. Er hing leblos in den Armen des Vampirs, der schließlich seinen Kopf von dessen Hals hob, sich mit dem Opfer im Arm niederkniete und es sanft auf dem Boden ablegte.
Sie wischte sich die Tränen ab und kroch hinüber zu ihm, blickte in das bleiche, bewußtlose Gesicht.
„Was …“
„Mach dir keine Sorgen. Sein Widerwillen hat ihm die Besinnung geraubt. Seelische Überlastung. Er ist nicht in Lebensgefahr. Er wird schwach sein, wenn er wieder aufwacht, und vermutlich wird ihm ziemlich übel sein. Doch er wird überleben.“
Sie streckte ihre Hand nach dem Bewußtlosen aus und schloß seinen Kragen, band seine Krawatte fest. Ihre Hand schwebte eine Sekunde lang über seinem Gesicht, doch sie zog sie zurück, ohne ihn zu berühren. Sie hatte kein Recht dazu. Er verachtete sie. Er würde ihre Berührung nicht wollen.
„Wenn er aufwacht, dann bitte ihn, daß er dich hier herausbringt. Er wird es tun. Er wird dich wahrscheinlich den ganzen Weg lang beschimpfen, aber er wird es trotzdem tun. Dann kannst du nach Hause gehen, mein Herz.“
Er kniete neben ihr, dann standen sie gemeinsam auf. Sie riß ihre Augen von dem blonden Mann los und sah in die edlen Züge des Vampirs, der sich eben Hemd und Weste wieder anzog.
„Törichtes Mädel“, schalt er zärtlich. „Du hast um ihn geweint. Ich glaube nicht, daß er eine einzige deiner kostbaren Tränen wert ist.“
Er wischte ihr Gesicht mit seinen Fingern trocken, nahm es dann in seine Hände, hielt es und küßte sie mit sanfter Leidenschaft. Seine Lippen waren zärtlich, nicht fordernd. Sie fragte sich, ob er ihr Liebesspiel nun neu beginnen wollte, und wußte nicht, wie sie ihm begreiflich machen sollte, daß sie das nicht konnte, nicht neben einem bewußtlosen Herrn Meyer, nicht nachdem Verachtung und Schmach sie wie ein Eisguß getroffen hatten, nicht mit all der Scham, die sie in sich selbst spürte. Doch sie brauchte ihm nichts zu erklären. Der Kuß blieb keusch. Beinahe keusch. Keine seiner Liebkosungen konnte die Beschreibung „keusch “ voll und ganz rechtfertigen. Der Kuß war der eines engen Vertrauten und nicht eines feurigen Liebhabers. Er war voller Trost.
„Bleib bei ihm“, sagte er. „Ich ziehe in den Kampf.“
Sie blickte ihm ins Gesicht, und neue Angst stieg in ihr auf. Er lächelte. Und sie schämte sich, daß sie sich soviele Gedanken um den blonden Mann gemacht hatte, wo ihr dunkler Freund sich doch in weit größerer Gefahr befand.
„Gibt es denn nichts, was ich für dich tun kann?“
„Du bist beinahe für mich gestorben, mein Herz. Niemand kann mehr von dir verlangen.“
Sie blickten einander in die Augen und sie spürte plötzlich die Pracht seiner nachtfeurigen Seele.
„Du mußt siegen“, sagte sie. „Bitte siege!“
Aus dem Augenwinkel sah sie eine Bewegung
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