Sam Aus Dem Meer
Sie ließ ihn am Fenster sitzen und nahm neben ihm Platz. Als der Bus losfuhr, schloss Sam kurz die Augen und atmete tief ein.
Während der Fahrt sprach Laine leise mit ihm und erklärte ihm die Dinge, die er sah.
„Wenn es dir zu viel wird, sagst du es, okay?“, sagte Laine mitten in einer Erklärung zu einem hell erleuchteten Supermarkt. Sam nickte.
„Es geht schon. Ich würde gerne mal die ganzen Sachen in dem Supermarkt sehen. Das wäre großartig. Kann ich was von dem Wasser haben?“
Laine reichte ihm eine Flasche, die sie zuvor mit frischem Meerwasser gefüllt hatte. Sam nahm einen großen Schluck.
„Alles gut?“, fragte Laine.
„Ja. Es hat genutzt, dass ich noch so lange im Wasser war, bis wir los sind.“ Er gab ihr die Flasche zurück. Laine schielte zu Liz, die mit Kopfhörern im Ohr aus dem anderen Fenster sah. „Wie machst du das mit dem Wasser? Filterst du da Plankton raus oder was?“, fragte Laine.
„Das Wort kenne ich nicht, aber das Meerwasser ist voller Kraft, voller …“
„… Energie?“, half Laine weiter.
„Ja, genau. Das war das Wort. Diese Energie können wir aus dem Wasser ziehen wie Nahrung. Es ist ein tolles Gefühl. Deshalb könnte ich nie an Land schlafen. Es wäre nicht erholsam. Außerdem vertrockne ich dann.“ Sam trank noch einen Schluck aus der Flasche.
„Du schläfst ganz schön viel, kann das sein?“, fragte Laine.
„Nur, wenn ich tagsüber Beine habe. Das ist so unglaublich anstrengend. Das kannst du dir nicht vorstellen. Dann muss ich mich erholen.“
Der Bus verlangsamte, und Laine stand auf.
„Okay, die Nächste müssen wir raus. Liz! Wir müssen raus!
Sag mal, hast du eigentlich ein Geschenk besorgt für die olle Stace?“
„Klar“, sagte Liz, „ du kannst ihr das Wörterbuch schenken und ich den Rasierer. War ein Sonderangebot bei Woolworth.“
„Und wieder hätten wir damit zwei Probleme in Staceys Leben gelöst“, grinste Laine. „Schlag ein.“
Liz gab ihr ein High Five.
„Ganz schön protzig“, sagte Liz, als sie den Vorgarten von Staceys Eltern betraten.
„Und geschmacklos“, nickte Laine. „Wie kann man nur indische Elefantenfiguren mit afrikanischen Statuen kombinieren. Wahrscheinlich haben sie gedacht, Elefanten gibt’s auch in Afrika … welche, ist ja scheißegal … oh Gott, da steht auch noch ne Chinavase … waaah.“
Liz giggelte und betätigte den Klingelknopf an der verglasten Haupteingangstür. Einen Klingelton konnten sie aufgrund der lautstarken Musik nicht hören.
Sam hielt Laines Hand so fest, dass es ihr fast wehtat.
„Es wird gut gehen, Sam. Bleib einfach immer bei mir oder bei Liz, okay?“
Sam nickte, zu aufgeregt, um zu sprechen.
Leslie riss die Tür auf. Ihr Kleid war mal wieder ein My kürzer, als gut gewesen wäre.
„Ach ihr …“, sagte sie. Dann sah sie Sam. „Wer ist das denn?“
„Ein Freund von mir“, sagte Laine und schob sich an Leslie vorbei. Sie bogen direkt nach rechts ab und passierten eine zweite, ebenfalls verglaste Tür.
„Die haben nen Pool. Das dachte ich mir fast“, sagte Liz und sah sich in dem Raum um, der bestimmt fünfundzwanzig Meter in der Länge maß. Die größte Fläche wurde von einem rechteckigen Poolbecken eingenommen. Das Wasser wurde beleuchtet und schimmerte in verschiedenen Türkistönen.
Pool ist gut, dachte Laine, da fällt es vielleicht nicht auf, dass Sam keine Schuhe trägt.
Musik schmetterte aus einer nicht zu identifizierenden Quelle, während jede Menge Leute sich mehr oder weniger taktvoll dazu bewegten. Die meisten waren Typen aus Laines Jahrgang, andere hatte sie noch nie gesehen.
Laine blieb noch ein wenig am Eingang stehen, um Sam Gelegenheit zu geben, sich an den Anblick zu gewöhnen. Sie sah zu ihm auf, konnte an seinem Gesicht aber nicht ablesen, was er dachte.
Liz stieß sie an. „Da ist Stacey. Gib dir mal die Schminke. Das reicht für nen Zirkusauftritt.“
Laine kicherte. „Und zwar als Clown. Okay, dann wollen wir mal.“ Sie setzte sich in Bewegung.
„Von wollen kann ja wohl keine Rede sein“, flüsterte Liz ihr zu.
Stacey hatte die beiden ebenfalls entdeckt. Laine ließ sie nicht aus den Augen und wurde prompt belohnt. Stacey entgleisten alle Gesichtszüge, als sie Sam an Laines Seite entdeckte.
„Hey, Stace“, sagte Liz mit gerade genug Freundlichkeit, dass es nicht auffiel.
„Alles Gute zum Geburtstag. Das hier ist von uns.“
Sie hielt ihr die zwei kleinen Päckchen hin.
Stacey ignorierte sie geflissentlich
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