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Sam & Emily: Kleine Geschichte vom Glück des Zufalls (German Edition)

Sam & Emily: Kleine Geschichte vom Glück des Zufalls (German Edition)

Titel: Sam & Emily: Kleine Geschichte vom Glück des Zufalls (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holly Goldberg Sloan
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Halloween-Kostüme.
    Emily hatte ihren Lieblingspulli bei Oxfam gekauft. Aber viele Leute verstanden einfach nicht, wie man gebrauchte Klamotten anziehen konnte. Und Bobby gehörte ganz offensichtlich zu diesen Leuten.
    Deshalb erzählte Emily ihm nichts davon, als sie am Sonntag zum großen Flohmarkt in der Messehalle ging. Alles hatte dort eine Geschichte. Nichts war verpackt oder eingeschweißt. Und die meisten Sachen waren ein bisschen daneben oder beschädigt oder irgendwie zu nichts so richtig zu gebrauchen, was genau Emilys eigenem innerem Zustand entsprach.
    Emily streifte die Gänge entlang. Keiner kannte sie hier und keinen kümmerte es, ob sie still oder traurig oder wütend war. Keiner wusste, dass sie sich sogar inmitten vieler Leute jetzt immer einsam fühlte, und das war tröstlich.
    In der hintersten Ecke entdeckte sie schließlich den Stand einer Frau, die an einer Stange lauter alte Ballkleider hängen hatte. Emily zog ein Kleid heraus, von dem die Frau ihr sagte, es sei mehr als fünfzig Jahre alt. Es war über und über mit schwarzen Schleifen besetzt, so dicht nebeneinander, dass man den Eindruck hatte, das ganze Kleid bestünde nur aus Schleifen. Jemand musste Stunden um Stunden um Stunden damit verbracht haben, all diese Schleifen aufzunähen.
    Das Kleid hatte einen tiefen runden Ausschnitt und war um die Taille eng geschnitten, hatte dann aber einen weit schwingenden Rock, der mit Seidentaft unterfüttert war. Emily fand, dass das Kleid wie ein Kunstwerk aussah. Sie probierte es nicht einmal an.
    Sie wollte das Kleid haben, weil es aus so vielen Schleifen zusammengesetzt war. So wie das Herz, das Sam ihr geschenkt hatte, aus vielen kleinen Holzstückchen. Sie mochte es, wenn jemand sich einer Sache ganz hingab. Vielleicht hatten diese Schleifen ja auch jemandem Trost gebracht.
    Vielleicht hatten sie geholfen auszublenden, was in der Welt chaotisch und unverständlich war. Vielleicht waren sie ein Versuch, ihr stattdessen eine Ordnung zu geben.
    Das alles bedeuteten die dicht an dicht genähten Schleifen für Emily.
    Weil sie Sam und Riddle vor Augen hatte, verstand sie auf einmal so vieles anders und besser als früher.
    ***
    Ein paar Tage später holte Emily das 25-Dollar-Kleid vom Flohmarkt, das mit 512 schwarzen Schleifen besetzt war, endlich aus dem Schrank hervor. Es steckte immer noch in der alten Tüte, in der sie es mitgenommen hatte.
    Schon während sie das Kleid über den Kopf zog, merkte sie, dass es ihr passen würde. Aber erst, als sie den seitlichen Reißverschluss hochgezogen hatte, begriff sie, wie gut es ihr passte. Als wäre ihr das Kleid auf den Leib geschneidert worden.
    Emily starrte sich im Badezimmerspiegel von Kopf bis Fuß an. Audrey Hepburn, eingekleidet von Givenchy, stand vor ihr. Emily seufzte auf. Sie war frustriert. Da tat sie nun alles, was sie konnte, um diesen Ball mit Missachtung zu strafen – und jetzt das.
    Emily gehörte nicht zu den Mädchen, die dauernd in Modezeitschriften blätterten oder täglich im Internet durchklickten, was die Stars gerade trugen. Aber sogar sie wusste, dass dieses Kleid wirklich cool und gerade total angesagt war.
    Was seltsam war, weil das Kleid seinen großen Auftritt ja vor langer, langer Zeit gehabt haben musste.
    Emily musterte sich. Vielleicht sollte sie es besser nicht tragen. Der Abschlussball war für sie etwas, das sie durchstehen musste. Sie wollte dort nicht glänzen.
    Als sie aus dem Badezimmer ging, stieß sie mit ihrer Mutter zusammen, die gerade die Treppe heraufkam. Debbie wich unwillkürlich einen Schritt zurück.
    »Emily… Du siehst wunderschön aus in diesem Kleid.«
    Emily zuckte mit den Achseln.
    Ihre Mutter fuhr fort: »Und das hast du auf dem Flohmarkt gekauft?«
    Mit einem seltsamen Schuldgefühl nickte Emily und sagte: »Ja und ich hab’s dort noch nicht mal anprobiert…«
    Debbie Bell strich über die Schleifen. »Jemand muss die alle aufgenäht haben…«
    Emily blickte an sich hinunter. »Verrückt, oder?«
    Debbie staunte ihre Tochter immer noch an. »Ich würde mal sagen, dafür braucht man viel Ausdauer.«
    Emily sah plötzlich eine Frau in einem großen Zimmer vor sich, umgeben von lauter Spulen mit schwarzem Geschenkband. »Vielleicht hatte die Frau nichts anderes.«
    Bei diesem Gedanken fühlte sie sich seltsam getröstet und fuhr fort: »Vielleicht musste die Frau einfach ein Kleid nähen und entweder nahm sie dafür schwarzes Geschenkband oder den Stoffbezug ihrer Gartenmöbel.«
    Debbie

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