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Sam & Emily: Kleine Geschichte vom Glück des Zufalls (German Edition)

Sam & Emily: Kleine Geschichte vom Glück des Zufalls (German Edition)

Titel: Sam & Emily: Kleine Geschichte vom Glück des Zufalls (German Edition)
Autoren: Holly Goldberg Sloan
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wollte, konnte er nicht sagen. Julio wartete einen Moment ab und sagte dann: »Aber du solltest zum Arzt gehen… meinst du nicht?«
    Sam dachte nach. »Ich hab kein Geld.«
    Sam schloss die Augen. Plötzlich saß er in einem Krankenhaus. Er sah das Wartezimmer vor sich. Und eine Notaufnahme. Erinnerte sich wieder an das Grün der Wände und an das Handy-Verbotsschild. Sobald er an das Handy dachte, wurde er unruhig. Hatte er denn eins gehabt? Er konnte sich daran erinnern. Dann sagte er ganz unvermittelt: »Ich will Bus fahren…«
    Julio Cortez ließ sich nichts anmerken. Er wollte mit einem Bus fahren? Verbarg der Junge etwas vor ihm? Vielleicht was Illegales? Er warf unauffällig einen Blick nach hinten. Vielleicht war der Junge ja in einen schiefgelaufenen Drogendeal verwickelt. Julio versuchte jetzt, die Sache etwas anders anzugehen.
    »Was hältst du denn davon, wenn ich dich in die Stadt mitnehme und du rufst deine Familie oder Freunde an? Vielleicht können die dir helfen rauszukriegen, was passiert ist…?«
    Ein neuer Aussetzer. Was denn für eine Familie? Welche Freunde?
    Er wusste nichts von irgendeiner Familie oder Freunden. Sam wollte weiter nichts als Bus fahren. Wenn er nur wüsste, wo er hinfahren wollte.
    »Nein, nein. Ich fahre mit dem Bus. Ich bin schon öfters Bus gefahren.«
    Julio dachte nach. Das konnte in der Tat die Lösung sein. Er konnte den Jungen in einen Greyhoundbus verfrachten, der ihn aus Julios kleiner Stadt entführte. So würde er den vielen Fragen aus dem Weg gehen können, die notgedrungen folgen würden, wenn er ihn dabehielt.
    Und deshalb nickte Julio jetzt. »Okay, das lässt sich machen.«
    Zufrieden, weil sie einen Ausweg wussten, marschierten sie auf der gerodeten Feuerschneise weiter, die aus der Wildnis führte.
    ***
    Die Feuerschneise war so eng, dass sie nur hintereinander vorwärtskamen. Und plötzlich blitzten bruchstückhaft Geräusche in Sams Gedächtnis auf. Erinnerungen an kleine dunstig feuchte Städte, aus deren Billigwohnungen die Stimmen Streitender zu hören waren. An Siedlungen mit Wohnwagen und an beengte Zimmer, die in der Nähe kleiner Gassen und Geschäfte lagen. Sam hörte plötzlich die Vergangenheit. Musik aus Nachtbars und Sirenen. Den Lärm von Autobahnen und von bellenden Hunden. Geklirr von Töpfen und von Pfannen. Er hörte das Geräusch von Autohupen und den Motorenlärm der Tiefflieger.
    Dann hörte er plötzlich Wellen krachen, doch dieses Mal nahm das Geräusch Gestalt an. Er hörte Mexiko. Dort war er mal gewesen. Hatte er sich nicht sogar schon mal in einen Ozean gewagt? Er meinte noch zu wissen, dass es ihm dort gefallen hatte. Baja. Das war’s. Dort würde er fürs Erste hingehn.
    Wie sollte er das ohne Geld nur schaffen? Er hatte nichts bei sich, das er verkaufen konnte. Ob ihm der Mann, der vor ihm ging, ein Busticket nach Mexiko bezahlen würde?
    Als sie ein wenig später stehen blieben, weil sie aus ihrer Wasserflasche trinken wollten, zog Julio einen Schokoriegel aus der Tasche. Er teilte ihn, gab Sam die eine Hälfte und sagte: »Und wohin willst du fahren… mit dem Bus?«
    Sam zögerte. »Ich glaub, nach Mexiko.«
    Entgeistert sah ihn Julio an. Der Junge machte Witze. Ob er ihn auf den Arm nehmen wollte? Doch dafür wirkte Sam zu ernst, zu zaghaft. »Hast du denn Geld?«
    Sam schüttelte den Kopf. Und Julio überdachte insgeheim den Rahmen seiner Möglichkeiten. Und dann entschied er: »Ich kaufe dir ein Busticket.«
    Sam sah ihn völlig überwältigt an. »Ich zahle Ihnen das Geld auch ganz bestimmt zurück. Versprochen. Ich schicke Ihnen das Geld. Wenn es mir wieder besser geht, kann ich ja Jobs annehmen, wissen Sie…«
    Doch Julio unterbrach ihn. »Das werden wir alles sehen. Ich fahre dich zu einem Greyhound-Busbahnhof. In meiner Stadt ist leider keiner, aber wenn wir auf der 138 in Richtung Westen weiterfahren, dann stoßen wir bestimmt auf einen.«
    Julio hatte die richtige Entscheidung getroffen – im Sinne dieses schlaksigen Jungen da, doch auch in seinem eigenen. Wenn er aus dieser Sache glimpflich rauskam, war’s das wert. Er würde dafür zahlen, dass er sich keinen Ärger einhandelte.

36
    Sam stand in Price, Utah, am Fahrkartenschalter.
    Er hatte zwei Einhundert-Dollar-Noten in der Tasche, die Julio Cortez ihm gegeben hatte, außerdem einen Schokoriegel, eine Flasche Wasser und eine Handvoll Aspirin. Sam legte dem Mann am Schalter zweiundachtzig Dollar und sechzig Cent für eine einfache Fahrkarte nach Las Vegas
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