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Sam & Emily: Kleine Geschichte vom Glück des Zufalls (German Edition)

Sam & Emily: Kleine Geschichte vom Glück des Zufalls (German Edition)

Titel: Sam & Emily: Kleine Geschichte vom Glück des Zufalls (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holly Goldberg Sloan
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aufgehängt. Das Herz bestand aus ganz vielen Einzelteilen, aber sie waren so wohlüberlegt zusammengefügt, dass es aus einiger Entfernung so aussah, als wäre es ein einziges Stück knorriges Holz.
    Emily schloss die Augen. Einen Moment lang ließ sie sich treiben. Sie hörte Sam Gitarre spielen. Sie sah ihn vor sich, wie er am letzten Abend in die Dunkelheit verschwunden war. Sie sah Riddle neben ihm gehen.
    Sie wusste, wenn Riddle ins Wasser gefallen war, hatte Sam alles getan, um ihn zu retten. Das wusste sie. Für seinen kleinen Bruder hätte Sam alles getan.
    Wie kommt man über den Verlust eines Menschen hinweg, durch den man die Welt mit anderen Augen als vorher zu sehen gelernt hat? Emily hatte keine Ahnung. Aber eines wusste sie: Man kann diesen Menschen nicht einfach durch einen anderen ersetzen.
    ***
    Nach zweiundsiebzig Stunden und vielen, vielen Befragungen durch viele unterschiedliche Leute sagte Riddle, seine Mutter heiße Debbie Bell, backe Kuchen, arbeite in einem Krankenhaus.
    Aber er wusste ihre Telefonnummer nicht.
    Wenn man im Internet »Debbie Bell« eingab, erhielt man keine brauchbaren Treffer. Aber bei »Debbie Bell« und »Krankenhaus« fand man heraus, dass eine Person dieses Namens tatsächlich in einem Krankenhaus arbeitete. Im Sacred Heart Hospital.
    Es war Freitagmittag und an der Empfangstheke der Notaufnahme hatte Randall Monte Schicht. Er legte den Hörer neben den Apparat und ging los, um Debbie zu holen.
    Sie war gerade bei einem Patienten, aber aus Randalls Miene konnte sie erkennen, dass es sich um eine sehr wichtige Angelegenheit handelte. Erst auf dem Flur erzählte er ihr, dass jemand von der Polizei in Utah am anderen Ende der Leitung war.
    Debbie spürte, wie ihr Puls sich beschleunigte. Und sie war eine Expertin in Sachen Blutdruck und Adrenalinschübe.
    Riefen sie bei ihr an, um ihr mitzuteilen, dass sie die Leichname gefunden hatten?
    Debbie drückte auf den Knopf, um den Anruf entgegenzunehmen, und hoffte nur, dass ihre Stimme nicht zu sehr zitterte, als sie sagte: »Debbie Bell am Apparat…«
    Die Stimme am anderen Ende antwortete: »Mein Name ist Henry Wertheimer und ich rufe aus dem Büro des Sheriffs von Emery County an…«
    Debbie wagte nicht zu atmen. Der Mann hatte mitten im Satz zu reden aufgehört. Sag’s einfach, dachte sie. Schlechte Nachrichten muss man sofort erzählen. Bekamen diese Leute denn nicht beigebracht, wie man sich in solchen Situationen verhielt?
    Endlich holte der Mann tief Luft – oder vielleicht trank er auch nur einen Schluck Kaffee? – und fuhr fort. »Wir haben einen Jungen hier, der im Manti-La-Sal-Nationalpark gefunden wurde, und er behauptet, er sei Ihr Sohn…«
    Debbies Hand zitterte jetzt. Aber sie brachte es trotzdem noch fertig, ruhig zu fragen: »Er lebt…?«
    Die Stimme fuhr fort: »Ja, Ma’am. Er ist hier bei uns und ziemlich lebendig, kann man wohl sagen. Und er will Sie gerne sprechen.«
    Debbie spürte, wie ihre Knie zu zittern anfingen. Sie streckte die freie Hand aus, um sich an der Wand abzustützen. Es war das Knistern zu hören, wenn ein Hörer weitergegeben wird, und dann Riddles Stimme. Sehr leise, heiser und keuchend flüsterte er: »Ich hab mich um Sam gekümmert. Ich hab es versucht…«
    Und dann hörte Debbie, wie er zu weinen anfing.
    Und sie fing jetzt auch zu weinen an. Die Tränen strömten ihr übers Gesicht, als sie sagte: »Aber natürlich hast du das. Ich komme, mein Schatz. Sofort. Ich komme, um dich zu holen, Riddle. Ich fahr sofort los…«
    ***
    Sie hatte einen Sohn. Er hieß Jared. Aber als der Mann am Telefon zu ihr sagte, im Manti-La-Sal-Nationalpark sei ein Junge gefunden worden, der behaupte, ihr Sohn zu sein, wusste sie, es war ebenfalls wahr.
    Und sie wusste auch, dass sie ganz tief in ihrem Innern nie aufgehört hatte, daran zu glauben, dass sie ihn wiedersehen würde.

37
    Debbie Bells erster Anruf galt ihrem Mann. Gemeinsam besprachen sie, was nun zu tun war, und waren sich einig, dass sie Emily nichts sagen wollten, bevor sie nicht sämtliche Einzelheiten von Riddles Geschichte erfahren hatten. Am nächsten Tag war der große Schulabschlussball, zu dem Emily mit Bobby Ellis gehen würde. Emilys Eltern beschlossen, dass es keinen Grund gab, ihr dieses Ereignis zu verderben. Dass Riddle noch am Leben war, kam einem Wunder gleich. Aber dadurch wurde nur noch klarer, was eben auch der Fall war: Sam war tot.
    Als leitende Krankenschwester in der Notaufnahme einer großen Klinik wusste

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