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Sam & Emily: Kleine Geschichte vom Glück des Zufalls (German Edition)

Sam & Emily: Kleine Geschichte vom Glück des Zufalls (German Edition)

Titel: Sam & Emily: Kleine Geschichte vom Glück des Zufalls (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holly Goldberg Sloan
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erzählte sie keinem.
    Wie so vieles, was sie empfand und was für andere Menschen äußerst beunruhigend sein musste. Zumindest für Menschen, die nicht – so wie sie – am liebsten in jedes Bild, das sie anschauten, hineingeklettert wären, um die Menschen darin kennenzulernen. Aber sie konnte nicht anders, so war sie eben.
    Ihre Gedanken schweiften ab zu seiner Familie. Ob sie wohl gern draußen in der Natur waren? Gingen sie vielleicht gern zelten oder segeln? Begeisterten sie sich alle für Kunst oder hatten sie vielleicht ein anderes gemeinsames Hobby, beispielsweise Mineraliensammeln wie die Schiffs, die eine Ecke weiter wohnten? Jedes Wochenende marschierten sie los und redeten nur über Quarze.
    Oder vielleicht reisten sie ja viel herum. Das würde ihr gefallen. In ein Flugzeug einzusteigen und an andere Orte zu fliegen, mochte sie nämlich unglaublich gern. Vielleicht machte seine Familie das auch gern, und wenn seine Eltern sie erst mal kennengelernt hatten, luden sie sie einmal ein, auf eine ihrer Reisen mitzukommen.
    Ob ihre Mutter und ihr Vater ihr das dann erlauben würden?
    Oder würden sie sich fürchterlich aufregen und ihr erklären, so etwas käme gar nicht infrage? Würde ihre Mutter darauf bestehen, seine Mutter anzurufen und jede auch noch so kleine Kleinigkeit mit ihr durchzusprechen? Emily hatte die Szene sofort vor Augen. Wie peinlich das wäre! Wenn aus der Sache mit ihr und Sam etwas wurde, so beschloss sie, dann würde sie versuchen, ihre beiden Mütter höchstens über E-Mail miteinander kommunizieren zu lassen.
    Emily schloss die Augen und gab einen langen Seufzer von sich.
    Plötzlich wurde alles so kompliziert.
    ***
    Hin und wieder kam es Clarence in den Sinn, dass der Aufwand wahrscheinlich der gleiche wäre, wenn er seine Angelegenheiten nach Vorschrift regeln würde statt auf seine Weise. Aber diesen Gedanken verdrängte er meist schnell. Denn schließlich ließ sich nicht leugnen, dass ein Leben als Dieb harte Arbeit bedeutete.
    Doch daran war er gewöhnt.
    Clarence erneuerte den TÜV seines Lasters, indem er bei anderen Autos die Aufkleber auf der Rückseite ihrer Nummernschilder abzog. Er fischte Lohnzahlungen, Geldanweisungen und Gratisproben aus den Briefkästen, wobei sein Favorit die Kreditkartenrechnungen mit den vorgedruckten Barschecks waren, die man einlösen konnte.
    Schon seit vielen Jahren nannte er sich John Smith. Und da er viele Namensvettern hatte, warf man sie in den Akten gern durcheinander. John Smith. Aber ein fauler Apfel verdirbt noch nicht den ganzen Sack, wie die Osmonds schon gesungen hatten.
    Manche seiner Delikte waren eher geringfügiger Art – wenn er etwa Zeitschriften am Zeitungskiosk oder Obst- und Gemüsekisten von den Laderampen auf den Märkten stahl. Aber er scheute auch nicht vor schwereren Verstößen zurück.
    Nach Feierabend ging er auf die Baustellen und holte sich dort Werkzeuge und Baumaterial. Er brach in Autos ein und klaute Portemonnaies, Benzinkarten und Handys. Er ging in Bowlingcenter und verließ sie wieder mit den Schuhen fremder Leute. Er steckte Seife und Toilettenpapier aus den Spendern öffentlicher Toiletten ein. Er schnappte sich die Hunde aus den eingezäunten Vorgärten, brachte sie ihren Eigentümern zurück und verlangte einen Finderlohn. Er entwendete Topfpflanzen, Brennholz und Reservereifen.
    Und wenn er spürte, wie das Netz sich enger zog, dann fuhr er weiter. Deshalb war auch der Lkw zu jeder Zeit gepackt. Startklar.
    Wie viele Male hatten ihn die Bullen schon verhört. Überall war er schon festgenommen und für eine Nacht eingebuchtet worden und in mindestens einem halben Dutzend Staaten waren Haftbefehle auf ihn ausgeschrieben. Deshalb war er ja auch nach Mexiko gegangen. Hatte sich eingebildet, er könnte diesem gottverfluchten Land entkommen, aber die da unten hatten ihr eigenes Rechtsempfinden. Die hätten ihm die Kniekehlen durchgeschossen – oder schlimmer – wenn er da länger abgehangen hätte.
    Die Jungs waren immer eine gute Story wert. Man hatte Mitleid mit dem Vater, der zwei Jungen so ganz alleine großziehen musste. Und schließlich hatte er sich ihnen gegenüber immer anständig verhalten. Er hatte seinen Kindern etwas beigebracht, das wichtiger war als alles andere: zu überleben. Er musste sie jetzt auch so gut wie nie mehr schlagen.
    Das hatte er sich abgewöhnt, seit Sam ein richtiger Kerl geworden war. Doch ihn auf seine Beutezüge mitzunehmen, war ihm bisher noch nie gelungen. Der Junge

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