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Sam & Emily: Kleine Geschichte vom Glück des Zufalls (German Edition)

Sam & Emily: Kleine Geschichte vom Glück des Zufalls (German Edition)

Titel: Sam & Emily: Kleine Geschichte vom Glück des Zufalls (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holly Goldberg Sloan
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gesprungen, um einem nahenden Zug zu entgehen. Er hatte nachts zitternd im Bett gelegen, weil er sich eine Infektion zugezogen hatte und an Penizillin nicht zu kommen war. Er war von der Strömung ins offene Meer hinausgezogen worden und hatte überlebt, obwohl er nicht schwimmen konnte. Er war der fliegenden Faust seines Vaters ausgewichen. Viele, viele Male.
    Aber diese Geschichte hier ängstigte ihn mehr als alles andere.
    Sie ängstigte ihn so sehr, dass er Emily nicht noch mal gegenübertreten konnte.
    Der Abend, an dem er sie getroffen hatte, war nicht gut ausgegangen. Clarence hatte wieder Stimmen gehört und als er Riddle allein zu Hause antraf, hatten sie ihm erst richtig zugesetzt. Wo zum Teufel steckte Sam?
    Clarence fing an, die Wände mit seinen Stiefeln zu bearbeiten, und Riddle machte sich durch die Hintertür davon. Er rannte in den nahe gelegenen Wald, wo Sam seinen kleinen Bruder erst weit nach Mitternacht fand. Eine geschlagene Stunde lang hatte er nach Riddle gesucht. Wie ein kleines verletztes Tier hatte er sich versteckt und vor Kälte gezittert. Und ein kleines verletztes Tier war er ja schließlich auch, dachte Sam.
    Als Sam am nächsten Morgen spürte, dass er gleich ausrasten würde, wenn er nicht bald zu ihr ging, verbrannte er ihre Telefonnummer. Aber auch das half nicht. Er dachte nach wie vor an sie und an das Haus, in dem sie lebte.
    Ein gelbes einstöckiges Holzhaus war es, mit dunkelblauer Zierleiste. Es hätte glatt in einem Werbeprospekt für glückliche Menschen abgebildet sein können. Vor dem Haus gab es Blumenbeete und eine großzügige Rasenfläche. Zwei Autos ohne Dellen parkten in der gepflasterten Einfahrt. Hinten an der Garage hing ein Basketballkorb. Und auf der Veranda standen Korbmöbel mit sauberen Kissen.
    Man konnte direkt vor sich sehen, wie die Bewohner in den warmen Sommermonaten dort draußen saßen und Limonade oder andere Getränke aus Gläsern zu sich nahmen, in denen zerstoßene Eiswürfel schwammen, und wahrscheinlich aßen sie dazu irgendetwas süßes Selbstgemachtes.
    Drei Tage später fing Sam an, jede Nacht zu ihrem Haus zu gehen. Aber immer nur spätnachts. Er wusste aus Erfahrung, dass sich in Städten einer bestimmten Größenordnung nach Kneipenschluss nur noch Betrunkene, Diebe, Schlaflose und Menschen, die Stimmen hörten, auf der Straße herumtrieben. Jetzt fügte er der Liste eine neue Kategorie hinzu: die der unglücklich Verliebten.
    Sam nahm einen Umweg über kleine Gassen und Seitenstraßen und hielt sich im Schatten. Wenn er bei ihrem Haus ankam, war dort immer alles dunkel bis auf ein kleines Licht, das in der unteren Etage hinter einem Gazevorhang am Vorderfenster gelblich leuchtete.
    Da stand er dann und sah hinauf zu einem Fenster, das er für ihres hielt, und stellte sie sich vor, wie sie dort tief und friedlich unter ihrer Decke schlief. Er wusste, er hatte sich richtig entschieden. Weil er sie vor dem Chaos in seinem Leben bewahrt hatte.
    Dabei war das Zimmer, zu dem er hinaufstarrte, nicht mal ihres, sondern das ihres Bruders. Und was er auch nicht wusste, war, dass sie in diesen Nächten meist genauso wach war wie er selbst. Sie schlief nicht unter ihrer Daunendecke; sie lag dort wach und dachte nur an ihn.
    ***
    Tagsüber spielte er so viel und intensiv Gitarre, dass ihm am vierten Tag die Hornhaut an den Fingern einriss. Er konnte nicht mehr länger nur den Müll anderer Leute ausladen oder Akkordfolgen austüfteln. Er musste sich eine neue Beschäftigung suchen.
    Deshalb fing er an, etwas herzustellen. Anfangs war ihm selbst nicht klar, dass es etwas mit ihr zu tun hatte.
    Er nahm Riddle mit hinunter zum Fluss und dort sammelten sie kleine Stöcke ein, die am Ufer herumlagen. Riddle gefiel es hier. Er suchte nach alten Pfandflaschen und beobachtete stundenlang die kleinen Elritzen, die um die flachen, schlammigen Felsen herumflitzten.
    ***
    Die winzig kleinen Fische bewegen sich wie eine Rauchwolke.
    Aber der Rauch schwebt unter Wasser.
    Sie bleiben zusammen und drehen sich, als wären sie eins. Weil sie viele sind, aber eines verstehen: dass man zusammenhalten muss.
    Ich sehe keinen einzigen kleinen Silberfisch, der für sich alleine schwimmt.
    Ich sehe genau hin. Aber ich sehe nie auch nur einen einzigen.
    ***
    Sam schleppte bündelweise Treibholz in ihr verwahrlostes Haus und begann zu basteln. Dann fand er ein Stück Sperrholz in einem Müllhaufen, das aussah wie ein beschädigtes Herz. Plötzlich ergab alles einen Sinn.
    Sam

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