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Sam & Emily: Kleine Geschichte vom Glück des Zufalls (German Edition)

Sam & Emily: Kleine Geschichte vom Glück des Zufalls (German Edition)

Titel: Sam & Emily: Kleine Geschichte vom Glück des Zufalls (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holly Goldberg Sloan
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suchte sich ein paar kleine Nägel aus einer der Büchsen, die hinten in dem vollgepackten Laster lagen und in denen sein Vater allerlei Krimskrams und Metallschrott aufbewahrte. Er schlug die Nägel so tief in das Holz, dass die spitzen Enden auf der Vorderseite herausschauten. Dann schichtete er behutsam verwitterte Zweige obenauf und befestigte sie an den Nagelenden.
    Schließlich lag ein Herz vor ihm: ein Herz, geformt aus vielen kleinen Stöcken, verwittert von Regen und Wind, die Rinde längst abgeblättert.
    Ein Herz, das schutzlos war.
    Und dann konnte Sam nicht länger an sich halten. Mitten in der Nacht legte er es vor ihre Hintertür.

9
    Am Morgen stand er immer als Erster auf. Er drehte die Heizung hoch, stellte die Kaffeemaschine an und ließ den Hund hinaus.
    An diesem Morgen brachte er auch etwas mit herein, nämlich ein Herz, gefertigt aus hundertachtundsiebzig Holzstöckchen, wie braune und graue Finger ineinander verschränkt.
    Tim unterrichtete am College Komposition und Musiktheorie. Aber er hatte damals an der University of California im Nebenfach auch Kunst studiert.
    Er hielt das hölzerne Herz in den Händen. Es war ein kleines Wunderwerk.
    Tim trug es in die Küche und legte es auf den Tisch. Als Debbie Bell fünf Minuten später in ihrer blauen Schwesterntracht herunterkam, fertig für ihre Schicht im Krankenhaus, schaute er es immer noch an. Als sie ihren Mann erblickte, blieb Debbie stehen. Von der Tür aus konnte sie nur erkennen, dass auf dem Tisch etwas lag, das nach einem großen graubraunen Haufen aussah. Bestimmt von draußen. Vielleicht war darin auch ein Tier versteckt. Leicht nervös fragte sie: »Was ist das?«
    Tim machte eine Handbewegung, dass sie näher kommen solle. »Es ist wunderschön, das ist es.«
    Als Debbie näher kam, wurde ihr Staunen immer größer. Dann stand sie neben ihrem Mann vor dem Tisch und bewunderte das Herz ebenfalls.
    Und da standen die beiden immer noch, als Emily in die Küche kam. Ihre Eltern drehten sich gleichzeitig zu ihr um.
    »Was ist denn?«
    Ihr Vater deutete auf den Tisch. »Ich glaube, da hat jemand draußen was für dich hingelegt…«
    Emily konnte nichts sehen, weil ihre Eltern die Tischplatte verdeckten. »Woher wisst ihr, dass es für mich ist?«
    Ihr Vater antwortete: »Weil auf der Rückseite dein Name steht.«
    Ihre Mutter trat einen Schritt zur Seite und Emily konnte jetzt auf dem Küchentisch die Umrisse von etwas aus Holz erkennen. Sie kam näher und dann stand sie über das Herz gebeugt da – sah die Stunden und Stunden und Stunden, die es gekostet haben musste, bis all die Holzstücke gefunden und danach zu einer Skulptur zusammengefügt waren, die ohne Weiteres in einem Museum ausgestellt werden konnte. Und zum ersten Mal seit Tagen lächelte sie, strahlte übers ganze Gesicht.
    »Sam…«
    Ihre Eltern wechselten einen Blick. Bedeutete dies, dass der Kummer ihrer Tochter nun bald ein Ende hatte? Oder fing alles jetzt erst so richtig an, und was sie gerade erlebt hatten, war nur das Vorspiel gewesen?
    Emily nahm das Herz vom Tisch. Es war schwer und sie konnte es kaum tragen. Ihr Vater wollte schon auf sie zu. »Soll ich dir helfen?«
    Einen Moment stand Emily nur schweigend da, aber ihr Glück erfüllte den ganzen Raum, wie Licht, das von den Wänden zurückstrahlte.
    »Nein, danke, das schaff ich schon.«
    Als sie danach die Treppe hoch in ihr Zimmer ging, hörte sie, wie ihr Vater leise zu ihrer Mutter sagte: »Sie hat sich wohl in einen Künstler verliebt…«
    ***
    Also war Sam nicht aus der Stadt verschwunden.
    Sobald Emily in ihrem Zimmer war, drehte sie das herzförmige Gebilde aus Holz sorgfältig um und betrachtete die Rückseite. In winzigen Buchstaben war dort der Name EMILY eingeritzt und dann: FÜR DICH.
    Und weiter unten: SAM.
    Kaum war Emily an diesem Vormittag in der Schule, entschuldigte sie sich bei Nora, erklärte, sie sei wohl in der letzten Zeit keine sehr gute Freundin gewesen, und bat sie um Verzeihung. Nora hatte ihre beste Freundin gefehlt und sie war froh, dass sie Emily zurückhatte.
    Auch am Unterricht beteiligte sich Emily wieder, zumindest versuchte sie es, und sogar Bobby Ellis schenkte sie ein Lächeln, der inzwischen regelrecht hinter ihr her war. Nach dem Mittagessen gab sie Pierre Ruff großzügig ihre Mathehausaufgabe, weil sie selbst sie jetzt wieder in fünf Minuten fertig hatte und er ganz offensichtlich hart am Kämpfen war.
    Nach dem Unterricht ging sie nicht sofort nach Hause, sondern

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