Sam & Emily: Kleine Geschichte vom Glück des Zufalls (German Edition)
dann einfach abzuschalten.
Sam ließ ihn dort stehen und ging zum Kinobetreiber, um das Geld für seine Eintrittskarte zurückzuverlangen. Zu guter Letzt bekam er die Hälfte wieder. Er kaufte sich einen Hotdog und verschlang ihn in drei Bissen. Dann machte er einen dritten Versuch, Riddle zu wecken, aber der rührte sich nicht.
Schließlich konnte er ihn wenigstens dazu bewegen, auf seinen Rücken zu klettern, und so trug er ihn dann nach Hause. Vom schwarzen Himmel fiel immer noch Regen.
Und wenn Riddle auch klein war für sein Alter, hatte er doch ein ziemliches Gewicht.
***
Clarence machte niemals Pläne.
Er hielt das für eine große Stärke. Und während er keinerlei Vorstellung davon hatte, wie seine Zukunft aussehen könnte, entwickelte er sehr wohl Ausstiegsstrategien, aber das war eine völlig andere Geschichte. Denn dabei ging es um die Kunst des Fliehens.
Clarence hatte immer zusätzliche Nummernschilder auf Lager, die er nachts von parkenden Autos klaute und durch andere Schilder ersetzte; das wiederum waren Schilder, die er erst kürzlich von abgeschleppten Wagen auf dem Schrottplatz entwendet hatte. Es war erstaunlich, wie vielen Leuten gar nicht auffiel, dass ihre Nummernschilder auf nahezu magische Weise ausgetauscht worden waren, als sie mal einen Moment lang nicht aufgepasst hatten, und dass sie mit Schildern in der Gegend herumfuhren, die auf die Wagen anderer Leute zugelassen waren.
Oft wurde die Situation für sie erst brenzlig, wenn sie – manchmal Jahre nach dem Austausch – in eine Verkehrskontrolle gerieten und ein Beamter feststellte, dass ihr Kennzeichen nicht zu dem Wagen gehörte, den sie fuhren.
Die folgenden Gegenstände hielt Clarence immer in seinem Lkw versteckt: zwei Nummernschilder, zwei volle Benzinkanister, ein Gewehr, zwei Schachteln Munition, eine Angelrute, sechs Magazine mit nackten Mädchen sowie einen Kanister Wodka.
Gern hätte er auch immer eine Schachtel Saltine Cracker vorrätig gehabt, aber irgendwie schienen die ihm nachts ein Loch ins Hirn zu brennen, denn er aß sie schneller auf, als er daran dachte, sich neue zu kaufen.
Aber so, wie er die Sache sah, war es die Technik, die ihm am allermeisten zu schaffen machte.
Jeder war ja heutzutage vernetzt. Von Computern hatte Clarence noch nie etwas verstanden, aber jetzt trugen die Leute die verdammten Dinger auch noch in der Hand mit sich herum, und das war einfach beschissen.
Jetzt konnten sie ihn nämlich sofort anzeigen, wenn er in den Gassen hinter ihren unverschlossenen Garagen rumschlich. Und was noch schlimmer war: Sie konnten diese Foltergeräte einfach hochheben und ein Foto von ihm machen.
Die Fotos waren nicht mal unscharf und man konnte sie umgehend an die Bad Guys schicken. Denn für Clarence waren die Good Guys ohne Frage Bad Guys. Und der einzige Good Guy war sowieso er.
Aber nur weil er paranoid war, hieß das noch lange nicht, dass andere nicht tatsächlich darauf erpicht waren, ihn zu schnappen. In Clarence’ Fall waren es so einige Leute, die mehr als nur ein Wörtchen mit ihm zu reden hatten.
Einer von ihnen war ein Typ namens Hiro Yamada. Hiro hatte ein Geschäft in Medford, Oregon. Es hieß Medford Coin.
Zehn Jahre zuvor hatte Clarence Border, der sich John Smith nannte und das erste Jahr mit seinen Söhnen auf der Straße unterwegs war, eine Indian-Head-Penny-Sammlung an Hiro verkauft. Die Sammlung hatte er aus Shellys Wäscheschublade mitgehen lassen, bevor er sich davonmachte. Shelly hatte sie zu ihrem einundzwanzigsten Geburtstag von Großonkel Jimmy bekommen. Und Jimmy wiederum hatte sie, bevor er starb, von Grandma Arlene bekommen. Er hatte ihr so leidgetan, weil er sein rechtes Ohr verloren hatte, als er bei Malerarbeiten von einer wackeligen Leiter gefallen war.
Grandma Arlene war also diejenige mit dem Faible für Pennys. Kein anderes Familienmitglied hatte je etwas davon verstanden. Und ein Experte war auch sie nicht gerade.
Sie hatte die aus dem Jahr 1877 stammende Indian-Head-Cent-Münze nämlich auf dem Boden eines Nähkästchens gefunden.
Das hatte sie 1946 bei einer Wohnungsauflösung erstanden und den Penny erst zu Hause entdeckt. Ein typischer Fall von: Des einen Freud ist des andern Leid.
Nur dass die ursprünglichen Besitzer gar nichts von dem Penny gewusst hatten und es also auch keine Leidtragenden gab. Nur einen glücklichen Finder.
Denn dieser spezielle Penny war ein sehr wertvoller
Penny.
Clarence – besser gesagt: John Smith – ahnte nicht, dass
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