Sam & Emily: Kleine Geschichte vom Glück des Zufalls (German Edition)

vermisster Kinder in zehn Staaten durchforstet hatte. Gegen Clarence Border wurde inzwischen in sämtlichen Bundesstaaten ermittelt. Da schien eine ganze Menge an Verbrechen zusammenzukommen. Detective Sanderson hielt es jedenfalls für äußerst unwahrscheinlich, dass Clarence Border jemals wieder die Welt außerhalb der Gefängnismauern zu Gesicht bekam.
    Sanderson schrieb eine E-Mail an Tim Bell, in der er ihm mitteilte, dass die Mutter der beiden Jungen, Shelly Thayer Border, vor vielen Jahren bei einem Autounfall ums Leben gekommen war.
    Tim Bell las die E-Mail am Telefon seiner Frau vor und Debbie ging in den Garten und saß dort eine lange Weile, auch noch als es bereits dunkel geworden war. Sie barg ihr Gesicht in den Händen, und als sie sicher war, dass niemand sie beobachtete, ließ sie ihren Tränen freien Lauf. Sie weinte nicht nur um die beiden Jungen, sondern auch um ihre Mutter, die Frau, die die beiden als Erste verloren hatte.
    ***
    Alle an der Churchill High School hatten von der Geschichte erfahren.
    Emily Bell war mit einem Jungen zusammen gewesen, dessen Vater ein Schwerverbrecher war und ihn als Geisel hielt, und der Junge war ums Leben gekommen, als er in Utah versucht hatte, seinem Vater zu entfliehen.
    Das war die Kurzform, zu der dann noch alle möglichen Gerüchte hinzukamen.
    Bobby Ellis tauchte in der Geschichte auch auf, weil er Informationen besessen hatte, die zur Verhaftung des Vaters geführt hatten.
    Deshalb sah man Emily und Bobby Ellis jetzt auch immer zusammen.
    Und deshalb hing Emily Bell jetzt nicht mehr mit ihren Freundinnen herum, sondern hielt sich immer etwas abseits.
    Die Mädchen aus der Fußballmannschaft hatten den Jungen einmal gesehen, deshalb hielten sie sich für Expertinnen in der Angelegenheit; sie wussten zwar auch nicht mehr, aber sie erfanden dauernd Neues hinzu.
    Cate Rocce hatte den Jungen vor Monaten in der First Unitarian Church gesehen und erzählte, er sei ihr von Anfang an komisch vorgekommen, sie habe sofort gespürt, dass in seinem Leben irgendwas nicht stimme, und habe ihm helfen wollen. Sie behauptete jetzt, sie hätte sich damals mit ihm unterhalten und er sei ein echt cooler Junge gewesen. Sie sagte, wenn sie damals nicht bereits mit Emerson Chapman zusammen gewesen wäre, hätte das zwischen ihnen beiden auch was werden können.
    Die Lehrer an der Churchill High School erhielten eine Rundmail, in der verkündet wurde, die Schulgemeinschaft sei von einer Tragödie heimgesucht worden.
    Die Tragödie in der Gemeinschaft betraf nur Emily Bell und Bobby Ellis, aber bei der Schulpsychologin, Mrs Beister, meldeten sich jede Menge Schüler, die ein Gespräch mit ihr wünschten, und sei es auch nur, um mehr Einzelheiten zu erfahren oder den Sportunterricht zu verpassen.
    Und eine Woche später fuhr dann Taylor Perry auf dem Rückweg von einer Party, auf der Wodka mit Gatorade gemixt worden war, ihr Auto zu Schrott. Taylor verlor ihren Führerschein und sollte zu ihrem Vater nach Arizona geschickt werden und die allgemeine Aufmerksamkeit verlagerte sich auf sie.
    Nach Taylors Autounfall beschäftigten sich dann alle mit dem großen Ereignis am Schuljahrsende: dem Abschlussball der beiden oberen Klassen.
    ***
    Emily hatte keine Lust zu tanzen. Egal bei welcher Veranstaltung. Und schon gar nicht auf dem Abschlussball der Schule.
    Es kostete sie alle Kraft, die sie hatte, jeden Tag aufzustehen, sich anzuziehen und in die Schule zu gehen. Die Vorstellung, sich herauszuputzen und so zu tun, als sei sie Cinderella, war ihr ein Horror.
    Aber Bobby Ellis bat sie immer wieder und wieder, dennoch mit ihm zum Abschlussball zu gehen, und führte alle möglichen Gründe dafür an. Keiner davon leuchtete ihr ein. Eine ganze Woche lang sagte Emily immer wieder Nein.
    Doch dann stürzte er und das änderte die Lage.
    ***
    Sie würde noch Ja sagen, das spürte er. Die beste Arbeit leistete er im Verborgenen. Bobby hatte bereits Nora und Rory für seine Zwecke eingespannt und sich sogar an Emilys Eltern gewandt, die ihm versprachen, mit ihr zu reden, wenn der Zeitpunkt günstig war.
    Bobby setzte Emily zu Hause ab und sagte ihr, dass er noch was für seine Mutter zu erledigen habe. Einen Moment hatte er das Gefühl, dass sie erleichtert wirkte, als er nicht mehr mit reinkommen wollte. Aber das hatte er sich bestimmt nur eingebildet.
    ***
    Emily machte die Haustür hinter sich zu. Wieder einen Tag durchgestanden. Sie zählte jeden Tag buchstäblich die Minuten, bis sie