SAM
betrachtete die kleine Holzbank unter dem Küchenfenster, auf der in verschieden großen Zinktöpfen diverse Kräuter stehen. Später ging ich dann nach hinten in den Obst- und Gemüsegarten, pflückte ein paar Äpfel und ernte Himbeeren und Brombeeren. Ich weiß noch ganz genau, mit wie viel Freude und Leidenschaft Granny Marmelade eingekocht hat.
Plötzlich bekomme ich Heißhunger auf ein Brot mit Brombeergelee. Ich stehe auf, gehe in die Küche und mache mir ein Brot. Ich beiße herzhaft hinein, schließe die Augen und genieße den wunderbar süßen, aromatischen Geschmack des Gelees. Wieder Traurigkeit. Meine Granny wird nie wieder mit rot bespritzter Schürze in der Küche stehen und Einweggläser mit Marmelade füllen. Wenn das letzte Glas aufgebraucht ist, wird wieder ein Teil, der meine Granny ausmachte auf ewig verloren sein. Ich senke den Blick und fühle mich klein und verlassen. Granny, ich vermisse dich so sehr!
Leider habe ich die letzte Nacht nicht gut geschlafen. Die Erinnerungen an meine Großmutter und wieder einmal der Alptraum um den Tod meiner Mutter haben mich bis zum frühen Morgen gequält, so dass ich froh war, endlich aufstehen zu können. Es ist schon seltsam, seit ich in Somerset bin, verfolgen mich wieder die schrecklichen Erinnerungen an diese furchtbare Nacht in der meine Mom starb. Ich glaube, es wird mir daher guttun, an einem anderen Ort zu sein und hoffentlich viel zu tun zu haben. Die Ablenkung wird mir willkommen sein und nach einer Tasse Milchkaffee und einer Dusche setzte ich mich mit meinem Frühstück auf die kleine Terrasse hinter dem Haus und genieße den bereits warmen Sommermorgen.
Mr. DeMauriere hatte mir gestern Abend noch telefonisch ausrichten lassen, dass ich nicht vor 11:00 Uhr zum Schloss kommen brauche, da der Architekt erst um diese Zeit aus London anreist und die anderen Arbeiter und Handwerker auch erst zu dieser Zeit da sein werden. Also mache ich mich um 10:30 mit meinem Käfer auf den Weg. Als ich auf die Auffahrt zum Schloss zufahre, bin ich zunächst erstaunt über die vielen Lieferwagen und Autos die kreuz und quer in der Auffahrt stehen. Ich muss meinen Käfer zwangsläufig auf der Wiese neben der Zufahrt parken und laufe dann um die anderen Wagen herum zum Schlosseingang. Als ich den Türklopfer, einen grimmig dreinschauenden Löwenkopf aus Metall, der einen Ring im Maul hält, betätige, wird mir auch sofort aufgemacht. Ein junger Mann, Anfang zwanzig, in Malerklamotten grinst mich an und meint: „Ich glaube jetzt sind alle da!“ Etwas überrascht und verwirrt bahne ich mir einen Weg durch eine geballte Schar männlicher Handwerker, es werden wohl um die 50 Arbeiter sein, und suche nach Mr. DeMauriere. Und da, er kommt auf mich zu und begrüßt mich mit einem verhaltenen Lächeln.
„Miss Ravenport, schön dass sie da sind, dann kann ich sie gleich den anwesenden Herren vorstellen!“ Er geht zur Treppe und fordert mich auf: „Kommen sie!“ Schließlich stellt er sich auf die dritte Stufe der Treppe, um von allen besser gesehen und gehört zu werden.
„Gentlemen, ich möchte ihnen Miss Ravenport vorstellen!“, damit greift er nach meiner Hand und zieht mich zu sich auf die Treppe. Wieder dieses seltsame Kribbeln und Vibrieren, wenn sich unsere Hände berühren.
„Miss Ravenport ist meine persönliche Assistentin!“ Ich bemerke, wie ein Handwerker seinem Nebenmann den Ellenbogen in den Bauch rammt und anzüglich grinst. „Sie wird ihnen jeden Tag die anfallenden Arbeiten erläutern. Sie ist ihre Ansprechperson und für alle Belange der Restaurierung zuständig. Miss Ravenport und ich werden jeden Abend die Fortschritte und die Ausführung der Aufgaben absprechen und sie wird mich jederzeit mit den Fortschritten der Restaurierung auf dem Laufenden halten.“ Gemurmel. „Ich wünsche uns allen eine erfolgreiche und zufriedenstellende Zusammenarbeit“, endet der Hausherr schließlich. Schon bilden sich Gruppen von 5-10 Arbeitern, die ausschwärmen, teilweise nochmal hinaus an ihre Wagen, teilweise aber auch schon in die einzelnen Zimmer des Schlosses. Zurück bleiben neben Mr. DeMauriere und mir, ein Mann um die 40 Jahre, dunkler Anzug, blonde Haare, helle graugrüne Augen und ein Mann etwa 50 Jahre, kleiner als die beide anderen, hellbraune, etwas schüttere Haare und deutlicher Bierbauch in Arbeitsklamotten. Sie werden mir als Mr. Duncan vom Architektenbüro Duncan&Walker vorgestellt und Mr. McFinley aus Glastonbury,
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