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SAM

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Titel: SAM Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Caspary
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gegenüberliegenden Fenster. Ein regnerischer und trüber Tag. Nicht nur das Wetter drückt auf meine Stimmung. Seit der Nacht, in der das Schloss abbrannte, kann ich nicht mehr gut schlafen. Entweder habe ich schreckliche Alpträume oder aber ich kann gar nicht erst einschlafen. Ich liege dann stundenlang im Bett, wälze mich von einer Seite auf die andere und versuche irgendwie meinen Kopf abzuschalten. Meist drehen sich meine Gedanken um Alexander. Immer wenn ich an ihn denke, ist es, als wenn eine eiserne Faust mein Herz fest umklammert. Ich bekomme dann keine Luft mehr, setze mich im Bett auf und fasse an mein Herz. Ich habe schon ernsthaft darüber nachgedacht, mich bei einem Arzt vorzustellen. Ich habe den Gedanken aber dann doch schnell wieder verworfen. Was soll ich dem denn sagen, wenn er nach meinen Beschwerden fragt? „Hören sie, seit sich mein Vampir-Freund von mir getrennt hat, schmerzt mein Herz so sehr. Ich glaube es ist gebrochen?“ Das Einzige, was ich verordnet bekäme, wäre ein längerer Aufenthalt in einer geschlossenen Anstalt. Nein, wahrscheinlich ist es wirklich nichts Ernsthaftes. Trotzdem gehe ich nicht gerne zu Bett. Ich bleibe oft so lange es geht wach, damit ich dann schließlich hundemüde ins Bett falle und gleich einschlafe. Dann jedoch quälen mich oft die schlimmsten Alpträume. In den Alpträumen geht es meist um Vampire, Alex, Jonathan und Madelaine und um meine Mom und Granny und das brennende Schloss. Es fließt meist sehr viel Blut und immer stirbt jemand den ich liebe. Ich wache dann schweißgebadet und keuchend auf, meist tränenüberströmt. Wenn ich morgens in den Spiegel schaue, sehe ich eine vollkommen übernächtigte, junge, blasse, dünne Frau mit rotgeweinten Augen und tiefen Schatten darunter. Kein schöner Anblick. Ich habe mir dann nach einer solchen Nacht fest vorgenommen etwas dagegen zu unternehmen. So geht es einfach nicht weiter.
    Da weder autogenes Training, noch Fernsehen bis weit in die Morgenstunden hinein helfen, mich eine Nacht durchschlafen zu lassen, habe ich mich zu einer, nun sagen wir mal, ungewöhnlichen Methode müde zu werden, entschlossen. Ich gehe nachts spazieren. Immer wenn ich nicht einschlafen kann, ziehe ich mich an und laufe durch das nächtliche Notting Hill. Die Stadt ist dann meist schon zur Ruhe gekommen und nur die Pubs und Restaurants sind noch geöffnet und aus ihnen dringt gedämpftes Stimmengewirr.
    Bei einem meiner nächtlichen Spaziergänge ist mir eine kleine Kapelle gleich hier in der Nachbarschaft aufgefallen, die bis weit nach Mitternacht geöffnet ist. Der Pfarrer, der noch relativ jung ist, ich schätze ihn Ende dreißig, ist der Meinung, dass viele Menschen erst am Ende eines langen anstrengenden Tages dazu kommen, über viele Dinge, die sie bewegen, nachzudenken. Er möchte diese Menschen ermutigen und auffordern, auch abends zu ihm in die Kirche zu kommen, um etwas Ruhe zu finden, zu beten oder einfach der Welt dort draußen zu entfliehen und sich für einen Augenblick auf sich selbst zurückzubesinnen. Daher ist seine Kirche dreimal in der Woche bis weit nach Mitternacht geöffnet. Vor einer Woche ging ich also das erste Mal, bei einem meiner nächtlichen Spaziergänge, dort hinein. Eigentlich betrat ich die Kirche nur, weil es anfing zu regnen. Als ich in die Kapelle eintrat, war ich überrascht, wie viele Menschen zu so später Zeit noch den Weg in ein Gotteshaus finden. Es waren außer mir bestimmt noch acht bis zehn Leute hier, die in den Bänken verstreut saßen und beteten, oder nur still über etwas nachzudenken schienen. Ich setzte  mich in die vorletzte Reihe und betrachtete die kleine, jedoch wirklich äußerst liebevoll gestaltete Kirche. Die Sitzbänke waren aus hellem Holz und verbreiteten einen angenehm harzigen Duft. Wie alle protestantischen Kirchen, war sie deutlich schlichter ausgestattet als katholische Kirchen, aber der Altar und die kleinen Seitenschiffe zierten wunderschöne Bilder und Skulpturen von Jesus und seinen Anhängern. Die Kirche war fast ausschließlich durch Kerzen erhellt und vermittelte so eine mehr als angenehme Atmosphäre. Zum ersten Mal seit Tagen, beruhigte sich mein Herz etwas und der stählerne Griff schien sich zu lösen. Ich konnte endlich wieder einmal tief durchatmen. Ich schloss die Augen und dachte über mein Leben nach. Ich war allein. Ich vermisste Alex und ich wusste, dass ich trotz allem, was er getan hat, immer noch tiefe Gefühle für ihn hegte. Diese

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