SAM
auf, dass er einen Arm unter seinem Mantel gegen seinen Körper presst. „Du bist verletzt!“, stelle ich fest und greife vorsichtig nach seiner Hand. Als er sie von seiner Brust löst, sehe ich, dass sie blutverschmiert ist. Dann entdecke ich die tiefe Einstichstelle unmittelbar unter seinem Herzen. Ich schreie kurz auf. Er legt seine Hand wieder zurück auf die Wunde und fährt fort.
„Winston hat mir das Leben gerettet. Sie dachten, sie hätten mich erledigt, als ich bewusstlos mit dem Dolch in der Brust auf dem Boden lag. Sie legten das Feuer, um mich endgültig und für alle Zeiten zu vernichten und um alle Spuren zu verwischen. Winston hat von dem Kampf nichts mitbekommen, er war im Angestelltentrakt. Ich vermute, er hat dann irgendwann den Brandgeruch wahrgenommen. Als er mich im Wohnzimmer liegen sah, hat er sofort reagiert. Er zog mich aus dem brennenden Raum, hin zur Terrassentür. Er sah, dass ich noch atmete, zog den Dolch aus meiner Brust und rannte zurück in die Küche, um Tücher und Blutkonserven zu holen. Ich versuchte mich inzwischen aufzurichten und rief nach Winston, damit er aus der brennenden Küche rauskommt. Ich sah ihn, als er mir entgegen kam und plötzlich brach die Decke der Halle direkt über ihm zusammen. Er hatte keine Chance.“
Entsetzt höre ich seinen Ausführungen zu und eine tiefe Traurigkeit erfasst mich, als ich vom Tod Winstons erfahre. Ich sehe Alexander ins Gesicht und betrachte ihn, während er zusieht, wie die Flammen seinen Besitz zerstören. Ich weiß nicht, warum ich hier vor ihm stehe. Er ist der Mörder meiner Mutter und doch kann ich mich nicht von ihm lösen. Ich müsste ihn anschreien, ihn schlagen, ihn auf das Übelste beschimpfen, wütend auf ihn sein. Aber nichts dergleichen passiert. Das Einzige, was ich fühle, ist eine tiefe Leere in mir. Immer wieder höre ich hinter mir das laute Knacken und Krachen des brennenden Schlosses und das Klirren zerberstender Scheiben. Schließlich blickt Alexander traurig auf mich hinab.
„Unser Traum sollte sich nicht erfüllen“, sagt er leise, kaum hörbar. Ich schaue in seine dunklen Augen und weiß genau, dass dies das letzte Mal sein wird, dass er mich so ansieht. Die Entscheidung ist getroffen. Er hat sie getroffen. Ich gehe einige Schritte von ihm zurück. Für einen Sekundenbruchteil verzieht er vor Schmerz das Gesicht. Die Wunde muss ihm sehr zu schaffen machen. Wir sehen uns an. Lange stehen wir da und schauen uns nur an.
„Ich liebe dich, Samantha!“ Leise kommen die Worte über seine Lippen.
„Aber wir dürfen nicht zusammen sein. Sie werden irgendwann wissen, dass ich überlebt habe und dann werden sie kommen, um mich zu jagen. Du bedeutest mir zu viel, um dich dieser Gefahr auszusetzen. Ich spüre, dass du immer noch Gefühle für mich hast. Aber ich weiß auch, dass du mir nicht vergeben kannst. Ich fühle deine Wut und deine Enttäuschung, dein Misstrauen und deine Angst vor mir.“ Er kommt auf mich zu und legt seine warme Hand zärtlich auf meine Wange.
„Leb wohl!“, sagt er leise und seine braunen Augen schauen mich ein letztes Mal liebevoll an.
Dann löst er seine Hand, dreht sich um und geht.
Teil 2
Kapitel IX
„Verdammt!“ Zum dritten Mal fällt mir dieser blöde Schraubenzieher aus der Hand. Ich sitze in meinem Wohnzimmer und versuche mehr schlecht als recht ein schmales Regal zusammenzuschrauben. Vier Wochen ist es nun her, dass ich mit ansehen musste, wie das Schloss, dass Alexander DeMauriere gehörte, ein Raub der Flammen wurde. Das wunderschöne Schloss, das auch mein Zuhause geworden war. In dem ich mich in Alexander verliebt und die aufregendste Zeit meines Lebens verbracht habe. Es war nicht mehr. Nichts als Erinnerungen sind mir geblieben. Ich denke an das Arbeitszimmer und die ersten Augenblicke, die ich dort mit Alex zu zweit verbracht habe. Die Bibliothek und der Wintergarten, die gerade fertig geworden sind. Wie viele Stunden habe ich damit verbracht mir vorzustellen, wie sie einmal aussehen würde, die Bibliothek mit ihren hohen, weißen Regalen, dem blauweißen Mosaikfußboden und dieser traumhaft schönen Deckenmalerei: ein nächtlicher Sternenhimmel. Dann war es endlich soweit, nach wochenlangen Renovierungsarbeiten konnten Alexander und ich endlich unsere ersten Abende darin verbringen. Auf der großen, weißen Sofalandschaft mit den vielen blauen Kissen sind Alex und ich uns das erste Mal sehr nah
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