SAM
kurz beim Blick in sein Gesicht. Ist es möglich, dass seine Augenfarbe sich geändert hat? Seine Augen sind jetzt nicht mehr so dunkel und wirken nicht mehr so kalt. Er sieht mich mit warmen, braunen Augen an. Ich versuche mir meine Verblüffung über die Veränderung seiner Augen nicht anmerken zu lassen. Vielleicht bin ich einfach auch nur müde und sehe Dinge, die gar nicht sind. Er kommt einen Schritt auf mich zu. „Sie mögen dieses Zimmer, nicht wahr?“
„Ja“, sage ich leise, „es wird sicher wieder so schön, wie es einmal war. Auch wenn viel Arbeit damit verbunden ist. Dieser Raum muss wieder zum Leben erweckt werden.“ Selbst überrascht über mein enthusiastisches Verhalten, senke ich den Blick und sage: „Es wäre schade, wenn man hier nicht wieder Abende mit Lesen verbringen könnte.“ Ich merke nicht, dass er noch näher gekommen ist. Er steht nun ganz nah vor mir. Ich blicke auf seine Schuhe, als er mit dem Zeigefinger seiner rechten Hand mein Kinn hebt, und ich zu ihm aufschaue. Da ist es wieder, dieses Kribbeln, dieses unerklärliche Vibrieren. Sekunden verstreichen während wir uns schweigend ansehen.
„Ja, es wäre wirklich sehr schön, diesen Raum wieder in alter Schönheit erstrahlen zu sehen.“ Beim Klang seiner weichen, samtigen Stimme bekomme ich eine Gänsehaut. Was tut er mit mir? Ich fühle mich auf einmal manipuliert, so als wenn ich mich nicht mehr selbst bestimmen kann, wie eine Marionette. Seine Augen haben wieder diese kalte, dunkle Farbe angenommen und ich wehre mich gegen dieses Gefühl von ihm kontrolliert zu werden. Langsam finde ich wieder in die Realität zurück und spüre auch schon wieder diesen heftig stechenden Schmerz in den Schläfen. Ich löse mich ein paar Schritte von ihm und fühle mich plötzlich irgendwie unwohl in seiner Nähe.
„Ich denke wir sollten für morgen noch einiges besprechen“, erkläre ich mit kratzender Stimme und drehe mich um. Als ich bereits in der Tür stehe, wende ich mich ihm noch einmal zu und sage: „Können wir bitte dafür ins Arbeitszimmer gehen.“
„Selbstverständlich!“, entgegnet er und begleitet mich durch die Empfangshalle.
Während er mir zuhört, als ich über die aufgetretenen Schwierigkeiten berichte, fühle ich mich wie das Kaninchen vor der Schlange. Er beobachtet jede meiner Gesten und löst nicht für eine Sekunde den Blick von meinem Gesicht. Das macht mich furchtbar nervös und ich merke, dass ich kaum noch vollständige Sätze zustande bringe. Schließlich erhebe ich mich von dem Stuhl vor dem Schreibtisch und sage mit fester Stimme: „Ich glaube, das war‘s im Großen und Ganzen. Bitte entschuldigen Sie mich für heute, ich bin sehr müde und habe Kopfschmerzen und würde gerne nach Hause gehen.“
„Ich werde ihnen meine Entscheidungen morgen mitteilen, damit die Arbeiten zügig weitergeführt werden können. Es tut mir leid, dass ich sie noch so lange aufgehalten habe. Gute Nacht“, sagt er in seinem üblichen schroffen Ton.
Er steht nicht auf, um mich zur Tür zu begleiten, sondern vertieft sich sofort in die Listen über die aufgetretenen Mängel. „Gute Nacht “, sage ich bestimmt und verlasse das Schloss.
Die nächsten Tage vergehen wie im Flug. Ich bin den ganzen Tag damit beschäftigt Rechnungen und Materiallisten zu prüfen, ausgeführte Arbeiten zu begutachten, Telefonate entgegenzunehmen und die von den Handwerkern an mich herangetragenen Fragen zu beantworten. Ich traue mir inzwischen auch bereits zu, Entscheidungen ohne Rücksprache mit Mr. DeMauriere zu treffen. Er ist sowieso die meiste Zeit nicht anwesend. Abends jedoch treffen wir uns in seinem Arbeitszimmer, besprechen den vergangenen Tag und klären, was als nächstes ansteht. Wir verstehen uns inzwischen sehr gut. Ich habe mich auf seine launische Art eingestellt und muss jedoch auch zugeben, dass er von Tag zu Tag netter wird und wir sogar schon das ein oder andere Mal herzlich miteinander gelacht haben. Er ist eigentlich gar nicht so unsympathisch, wie er sich manchmal vielleicht absichtlich gibt. Wir stimmen in vielen Entscheidungen, die zu treffen sind, überein und ich fühle mich inzwischen wohl in seiner Gegenwart.
Seit dem Abend in der Bibliothek, ist mir auch nie wieder irgendetwas Ungewöhnliches an ihm aufgefallen. Sicher, da ist immer noch dieses faszinierende Kribbeln, wenn wir uns zufällig oder bewusst berühren und der Klang seiner Stimme erzeugt in manchen Situationen immer noch eine
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